Nachricht | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Südliches Afrika Südafrikas ungelöste Landfrage

Dreißig Jahre nach Einführung der Demokratie ist das Erbe des Siedlerkolonialismus immer noch nicht überwunden

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Kinder spielen vor einem Arbeiterwohnheim in Alexandra Township, Johannesburg. Foto: IMAGO / Design Pics Editorial

Südafrika zählt zu den Ländern mit dem höchsten Grad an Ungleichheit weltweit. Bis heute grassieren extreme Armut und Arbeitslosigkeit. Diese Ungleichheit tritt besonders deutlich in der allgegenwärtigen, von Apartheid-Politik geprägten Struktur zutage. Überfüllte informelle Siedlungen und Townships grenzen direkt an grüne Vororte und großflächige kommerzielle Plantagen an, die fast ausschließlich weißen Menschen gehören. Der über Jahrhunderte andauernde Siedlerkolonialismus in Südafrika hat tiefe Spuren in der Geografie des Landes hinterlassen. 85 % des Vermögens sind im Besitz von 5 % der Bevölkerung (die meisten davon weiße Südafrikaner*innen), während mehr als die Hälfte (die meisten davon Schwarze Menschen) zusammen weniger als 1 % des Vermögens besitzen. Durch diesen Umstand sind Schwarze Südafrikaner*innen zunehmend auf Sozialleistungen angewiesen, die für die Hälfte der Bevölkerung die zweitwichtigste Einkommensquelle darstellen. Im Dezember 2021 erhielten etwa 47 % der Bevölkerung Sozialhilfe, wobei die größte Gruppe der Empfänger*innen BPoC (Black and People of Color) waren. Das Thema Land und Grundbesitz ist in vielen Teilen der Erde mit starken Emotionen verbunden, ganz besonders in Südafrika. Für Schwarze Südafrikaner*innen symbolisiert die Landfrage die Gewalt, die ihrer Kultur und Identität angetan wurde: die Trennung von ihren Vorfahren, die Entweihung von Grabstätten, ihre Vertreibung aus der Heimat und die sozioökonomische Benachteiligung. Die Landdebatte erinnert sie immer wieder an das Land, das ihnen gestohlen wurde.

Katlego Ramantsima ist leitende Forscherin am Land and Accountability Research Centre (LARC) an der Universität Kapstadt, Südafrika.

Refiloe Joala ist Programmmanagerin für Ernährungssouveränität im Regionalbüro Südliches Afrika der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg, Südafrika.

Mit dem Einzug der Demokratie in Südafrika im Jahr 1994 vertrauten viele Schwarze Menschen darauf, dass der Afrikanische Nationalkongress (African National Congress - ANC) eine rasche und umfassende Landrückgabe einleiten würde. Schließlich war die Landfrage einer der Anlässe für die Gründung des ANC im Jahr 1912. Die Rückgabe von enteignetem Land steht seither ganz oben auf der Agenda der Partei. Am Anfang schien die angekündigte Landreform vielversprechend: Das Landrückgabegesetz von 1994 (Restitution of Land Rights Act) wurde als erstes Gesetz vom ersten demokratisch gewählten Parlament unter Präsident Nelson Mandela verabschiedet. Damit sollte eine Lösung für Menschen gefunden werden, die ihr Land durch rassendiskriminierende Praktiken wie Zwangsumsiedlungen verloren hatten. Doch trotz dieser anfänglichen Bemühungen bleibt die Landreform hinter den Erwartungen zurück. Dass dieser langwierige Prozess noch immer nicht verwirklicht wurde, schürt tiefsitzende Ressentiments sowohl gegenüber dem ANC als auch gegenüber der weißen Minderheit Südafrikas. Jedes Mal, wenn Schwarze Südafrikaner*innen aus oder in ihr Dorf in den  früheren Homelands oder kommunalen Gebiete, die im Apartheidsystem der Schwarzen Bevölkerung zugewiesen wurden, reisen, werden sie daran erinnert, dass ihre Regierung sie im Stich gelassen hat. 

Als der ANC 1994 an die Macht kam, verpflichtete er sich, bis 1999 mindestens 30 % der 86 Millionen Hektar fruchtbaren Ackerlandes an Schwarze Menschen zu übertragen. Dieses Ziel wurde immer weiter verschoben, erst auf 2010, dann auf 2015, und Anfang 2024 ist von dem hehren Versprechen keine Rede mehr. Offiziellen Angaben zufolge wurden im Rahmen staatlicher Landumverteilungs- und Landrückgabeprogramme zwischen 1994 und 2018 nur 8 bis 9 % des kommerziell genutzten Ackerlandes übertragen. Es gibt Berichte, wonach seit 1994 bis zu 25 % des Ackerlandes weißen Farmer*innen abgekauft wurde               . Diese Zahl ist jedoch fehlerhaft und belegt keine Fortschritte bei der Umverteilung von Land oder eine wirkliche Transformation, da sie die gesamte Landfläche im Besitz der Schwarzen Bevölkerung zusammenzählt. Dazu gehören sowohl von Schwarzen Menschen privat erworbene Grundstücke als auch alle staatlichen Landflächen, die für verschiedene Zwecke genutzt werden, sowie das Land in kommunalen Gebieten, das 13 % der gesamten Fläche Südafrikas ausmacht. Die landwirtschaftliche Nutzfläche Südafrikas wird auf 93,5 Millionen Hektar geschätzt, das sind 76 % der Gesamtfläche von 122,5 Millionen Hektar. Die Umverteilung von Ackerland von weißen Farmer*innen an Schwarze Südafrikaner*innen bleibt daher weit hinter dem Ziel von 30 % zurück.

Derzeit befindet sich der Großteil der Landfläche Südafrikas in Privatbesitz, was nach wie vor die sicherste Form von Grundbesitz darstellt. Schätzungen aus dem Jahr 2020 zufolge leben über 60 % der südafrikanischen Bevölkerung, das sind mehr als 48 Millionen Menschen, ohne sichere Besitzrechte. In städtischen Gebieten bedeutet das häufig, dass sie von einer Zwangsräumung bedroht sind, entweder durch skrupellose Vermieter*innen, gierige Bauunternehmer*innen oder einflussreiche Investor*innen. Im ländlichen Raum müssen die Menschen (in der Regel hauptsächlich mittellose und gefährdete Schwarze Südafrikaner*innen) gegen Bergbaukonzerne und multinationale Agrarunternehmen kämpfen.

Eine Geschichte von Enteignung und Zerstörung

1913 verlor Sol Plaatjie, eines der Gründungsmitglieder des damaligen South African Native National Congress (ab 1923 als ANC bekannt), sein Land. Plaatjie war, wie viele andere Schwarze Südafrikaner*innen, ein Opfer des Natives Land Act. In großer Verzweiflung schrieb er: «Als ich am Freitagmorgen, den 20. Juni 1913, erwachte, war ich, ein gebürtiger Südafrikaner, nicht nur Sklave, sondern aus meinem Geburtsland ausgestoßen.» Der mit dieser Enteignung verbundene Schmerz verfolgt Südafrika auch noch nach dreißig Jahren Demokratie.

Der Natives Land Act, ein im Juni 1913 in der Südafrikanischen Union verabschiedetes Gesetz, führte dazu, dass 93 % der gesamten Landfläche in den Besitz von weißen Menschen übergingen, die damals gerade einmal 7 % der Bevölkerung ausmachten. Angesichts dieser extrem ungleichen Verteilung des Landbesitzes musste sich die Schwarze Bevölkerung um das rangeln, was noch übrig war. Mit dem Natives Land Act wurde die territoriale Segregation zum ersten Mal seit der Gründung der Südafrikanischen Union im Jahr 1910, mit der die Herrschaft in Südafrika von der britischen Krone auf die weißen Afrikaner*innen und englischsprachigen britischen Siedlergemeinschaften überging, gesetzlich festgeschrieben. Nach dem Natives Land Act wurde weniger als ein Zehntel der südafrikanischen Landfläche in «Reservate» für die Schwarze Bevölkerung aufgeteilt. Der Schwarzen Mehrheit war der Kauf oder die Pacht von Land außerhalb dieser «Reservate» fortan untersagt. Mit dem Natives Land Act wurde ein duales System zur Regelung der Grundbesitzverhältnisse in Südafrika geschaffen: einerseits Privatgrundstücke mit Eigentumstiteln für weiße Menschen und andererseits kommunales Land, das von einem traditionellen Rat verwaltet wurde. Der Schwarzen Bevölkerung gehörten nur 13 Millionen Hektar Land, was etwa 14 % der Gesamtfläche Südafrikas entspricht, während 82 Millionen Hektar, also 86 % der Landfläche, am Ende der Apartheid im Besitz der weißen Minderheit waren. Der Natives Land Act verschärfte auch die Bedingungen für sogenannte Arbeitspächter*innen – Schwarze Arbeiter*innen, die im Gegenzug für ihre Arbeit auf den Farmen weißer Grundbesitzer*innen leben durften. Solche Pachtverträge für Arbeitskräfte gab es bis in die 1930er Jahre. Sie mussten in der Regel sechs Monate lang für ein geringes oder gar kein Entgelt arbeiten. Im Gegenzug durften sie mit ihren Familien auf den Farmen leben und einen Teil des Landes als Weidefläche und für den Ackerbau nutzen.

Ab 1923 verschlechterte sich die Lage der Schwarzen Mehrheitsbevölkerung Südafrikas mit der Verabschiedung des Native Urban Areas Act noch weiter. Durch dieses Gesetz wurde der städtische Wohnraum in Gebiete für weiße und Schwarze Menschen aufgeteilt und es wurden „Zuzugskontrollen“ eingeführt, um Schwarzen Menschen eine Ansiedlung in den Städten zu erschweren. Der Schwarzen Bevölkerung war es außerdem untersagt, Land zu kaufen oder zu besitzen, das zu den 93 % der Landfläche gehörte, die sich im Besitz der weißen Minderheit befand. Das betraf auch das gesamte Ackerland, das nicht in den kommunalen Gebieten lag. Die einzige Ausnahme waren Schwarze Arbeiter*innen, die Land weißer Grundbesitzer*innen bewohnten oder nutzten, z. B. Landarbeiter*innen, Hausangestellte und andere. Die ersten Townships in Südafrika entstanden bereits in der Zeit zwischen 1900 und 1920, um Schwarzen Menschen, People of Color und der indischstämmigen Bevölkerung Südafrikas preiswerten Wohnraum zu bieten. Anfang der 1930er Jahre waren diese Townships zu einem wichtigen Bestandteil der segregationistischen Stadtplanung der Regierung geworden, zumal weißen Unternehmer*innen dort leicht billige Arbeitskräfte finden konnten.

Ein armes Township außerhalb von Johannesburg, Südafrika. Foto: IMAGO / Pond5 Images

Zwischen 1948 und 1960 investierte die Apartheid-Regierung weiter in den Ausbau bestehender und die Errichtung neuer Townships. Die Bewohner*innen dieser städtischen Siedlungen wurden zunehmend isoliert und verarmten, da ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten und der Zugang zu städtischen Einrichtungen eingeschränkt waren. 1964 wurde das Sechs-Monats-System für Arbeitspächter*innen abgeschafft, die fortan das ganze Jahr für die Grundbesitzer*innen arbeiten mussten, um weiterhin auf dem Land leben zu dürfen. Gleichzeitig entschied die Apartheid-Regierung, sich entschlossener der «Eingeborenenfrage» zu widmen. Der Begriff wurde 1903 geprägt und betrifft den fortwährenden Widerstand der afrikanischen Bevölkerung gegen die Unterwerfung der Afrikaner*innen und die Aneignung ihres Landes durch weiße Siedler*innen. Dies führte zur Verabschiedung des Bantu Authority Act im Jahr 1951 und zur Bildung von Bantustans oder «Schwarzen Homelands» – das sind zehn «Homelands»-Gebiete, die regionale Behörden verschiedenen ethnischen Gruppen zuwiesen. Durch diese selbstverwalteten Gebiete wurde die Schwarze Bevölkerung praktisch aus dem politischen System Südafrikas ausgeschlossen. Ihnen wurde jeder Zugang zu Rechtschutz verwehrt, auch unter Androhung von Gewalt. Letztlich konnte sich die Apartheid-Regierung dank der Einrichtung der Bantustans aller Pflichten entziehen, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung der zehn Homelands verbundenen waren.

Als politische Konstrukte der Apartheid-Regierung, die praktisch keine wirtschaftliche Grundlage hatten, waren die Homelands fast vollständig von der südafrikanischen Apartheid-Regierung abhängig, etwa in Bezug auf Arbeitsplätze und staatliche Transferzahlungen an die traditionellen Räte. Da sich ein Großteil der Ackerflächen Südafrikas in den Händen weißer Farmer*innen befand, war Landwirtschaft in den Homelands kaum rentabel. Dementsprechend waren junge Männer gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen, um als «Gastarbeiter» in den wachsenden Industrien der Städte zu arbeiten, unter anderem im Bergbau. Diese Abwanderung hatte eine größere Bevölkerungsdichte in den Städten zur Folge, wodurch dort die Nachfrage nach Wohnraum stieg. Diese Nachfrage wiederum führte zur Entstehung der ersten informellen Siedlungen, d. h. Wohngebieten für die arme Bevölkerung in den Städten, die durch die illegale Besetzung von Grundstücken entstanden. Heute leben in den südafrikanischen Städten mehr als vier Millionen Menschen in informellen Siedlungen – der am schnellsten wachsende Wohnsektor des Landes. Obgleich die Regierung der Post-Apartheid-Ära zunehmend in diese Gebiete investierte, sind die Lebensbedingungen in diesen Siedlungen und Townships nach wie vor schlecht. Die sanitären Einrichtungen sind unzureichend, es gibt regelmäßig Strom- und Wasserausfälle, öffentliche Verkehrsmittel fehlen.

Segregationistische und rassistische Gesetze gibt es in Südafrika schon lange. Sie reichen in noch dunklere Zeiten zurück, als die britischen und niederländischen Kolonialisten die südafrikanische Bevölkerung unterwarfen und sich deren Land aneigneten. Schon im 19. Jahrhundert gab es Bestrebungen, Enteignung, Ausbeutung und Versklavung gesetzlich zu verankern. Wie in vielen anderen afrikanischen Ländern und auch in anderen Teilen der Welt hingen die Siedlerkolonien in Südafrika imperialistischen Vorstellungen an: die Unterwerfung und Ausbeutung der Bevölkerung sowie der natürlichen Ressourcen, insbesondere der Landflächen.

Die drei Pfeiler von Südafrikas Landreform aus dem Jahr 1994: Umverteilung, Landrückgabe und Landpachtreform 

Als der ANC im April 1994 offiziell die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika gewann, legte er einen dreigliedrigen Ansatz zur Lösung der Landfrage fest: Landrückgabe, Umverteilung und Landpachtreform. Diese Landreform sollte die Übertragung von Land sowohl für Wohnzwecke als auch für die Landwirtschaft erleichtern und war vor allem auf die mittellose Bevölkerung ausgerichtet. Gleichzeitig war sie von einem marktorientierten Ansatz geleitet, der gemeinhin als das Prinzip «willing-buyer, willing-seller» (williger Käufer, williger Verkäufer) bekannt ist und von der Weltbank (WB) und anderen großen internationalen Wirtschaftsinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) propagiert wird.

Landrückgabe

Mit dem Landrückgabeprogramm wurde die Rechtsgrundlage für die Abschaffung von grundlegend diskriminierenden Gesetzen oder Praktiken geschaffen. Im Zuge dieses Prozesses wurden Landrechte von Personen oder Communities zurückgegeben, die in der Vergangenheit entschädigungslos enteignet worden waren. Etwa ein Drittel der südafrikanischen Bevölkerung (rund 19 Millionen Menschen), darunter 75 % der kleinen Lebensmittelproduzent*innen, leben in ehemaligen Homelands oder kommunalen Gebieten. In ländlichen Gebieten/Gemeinschaften gehörte das Land oft mehreren Familien gemeinsam. Daher reichten die meisten von ihnen bei den südafrikanischen Behörden Gruppenanträge auf die Rückgabe von Land ein. Im Mai 2023 berichtete die Kommission für die Landrückgabe, dass 65.410 der insgesamt 82.976 zwischen 1995 und 2023 eingereichten Restitutionsanträge erfolgreich abgeschlossen wurden.

Die Sicherheit von Landrechten variiert stark, je nach Gebiet des Landes und Art der Pachtverhältnisse. Da die Landdokumentation in den kommunalen Gebieten seit 1994 zurückgeht, bleiben Grundbesitzverhältnisse in diesen ländlichen Teilen des Landes zunehmend undokumentiert. So besitzen etwa Haushalte, denen nach 1994 Land nach dem Gewohnheitsrecht zugestanden wurde, wahrscheinlich keine Aufzeichnungen oder Nachweise über ihre Rechte. Unter diesen Umständen müssen sich die Inhaber von Landrechten auf das Gewohnheitsrecht verlassen.

Umverteilung

Der zweite Pfeiler der Landreform, die Umverteilung, sollte durch ländliche Entwicklung und eine Agrarreform bewusst die Armen begünstigen. Dennoch orientierte sich die Umverteilung gleichzeitig am Prinzip «willing seller, willing buyer». In diesem Fall wird der Marktpreis für das Land zwischen den Grundbesitzer*innen, die ihr Land verkaufen möchten, und Regierungsbeamt*innen, die im Auftrag des oder der jeweiligen Begünstigten handeln, ausgehandelt. In Südafrika wurde dieser marktorientierte Ansatz stark kritisiert, da hierbei grundsätzlich die weißen Farmer*innen profitieren, die ihre Preise entsprechend der Marktentwicklung festlegen konnten. Kam es zu einer Einigung und das Land wurde tatsächlich übertragen, wurden diejenigen, die einen Restitutionsantrag gestellt hatten (claimants) und die Begünstigten einem höchst bürokratischen Verfahren unterworfen, etwa durch staatliche Auflagen für die claimants und Vorschriften hinsichtlich der landwirtschaftlichen Produktion. Landlose und ihre Unterstützer*innen haben ein stärkeres Eingreifen des Staates gefordert, sowohl bei der Ermittlung von geeignetem Land als auch bei der Überwachung der Höhe der Entschädigungszahlungen an die Grundbesitzer*innen.

Seit 1995 haben sich die Politik und die Verfahren zur Landumverteilung geändert. Das derzeitige staatliche Pachtmodell für die Landumverteilung wurde 2013 mit der Verabschiedung der State and Lease and Disposal Policy (SLLDP) überarbeitet. Im Rahmen der SLLDP werden Schwarzen Landarbeiter*innen und Communities Pachtverträge mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einer Verlängerungsoption von 20 Jahren gewährt, bevor die Nutznießer*innen das vollständige Eigentum und den Titel beantragen können. Schwarze Landarbeiter*innen und Communities können auch über das Rekapitalisierungs- und Entwicklungsprogramm (RAPD) von 2009 staatliche Unterstützung für die betriebliche Infrastruktur und Produktion erhalten, wobei sie strategische Partnerschaften mit Landwirtschaftsbetrieben oder agrarindustriellen Unternehmen eingehen müssen.

Holzhacken in der Transkei, einem der sogenannten schwarzen «Homelands», die während der Apartheid in Südafrika geschaffen wurden. CC BY-NC-ND 2.0, Foto: Flickr / United Nations Photo

Dabei ist auch von Bedeutung, dass das Landumverteilungsprogramm vor allem darauf abzielt, mittel- und landlosen Menschen Land zu Wohnzwecken und zur Produktion zugänglich zu machen. Die tiefgreifenden Veränderungen infolge der Landumverteilungspolitik und der zugehörigen Maßnahmen wirkten sich jedoch nachteilig auf die landwirtschaftlich tätigen Haushalte und Communities auf dem Land und in stadtnahen Gebieten aus, denen sie eigentlich zugutekommen sollten. Die Forschungsergebnisse einer Feldstudie zur Landumverteilung zeigen beispielsweise, dass die derzeitige Verteilungspolitik die Landrechte der Nutznießer*innen schwächt. Dies liegt zum einen an den unklaren Besitzverhältnissen für die Nutznießer*innen und zum anderen an der Einführung des Pachtsystems durch die Regierung. Da die Nutznießer*innen die Pacht nicht zahlen konnten, wurden die Pachtverträge in so genannte «Caretakership»-Verträge umgewandelt. Zwar mussten die Nutznießer*innen dann praktisch keine Pacht mehr zahlen, waren aber auch keine Pächter*innen mit Landnutzungsrechten mehr, sondern nur noch Verwalter*innen von staatlichem Land.

Landpachtreform

Die Landpachtreform ist der dritte Pfeiler der Landreform und regelt die Sicherheit von Besitzverhältnissen. Unabhängig davon, ob sie gesetzlich oder nach dem Gewohnheitsrecht definiert ist, unterliegt die Sicherheit von Grundbesitz Regeln, die für die Zuweisung und Verwaltung von Landrechten eingeführt wurden. Die Landpachtreform betrifft Rechte auf Land, auf dem die Menschen jetzt leben. Der Fokus liegt dabei auf der rechtlichen Verankerung informeller Rechte und der Schaffung neuer Rechte für die Schutzbedürftigen (vor allem Landarbeiter*innen und Arbeitspächter*innen), wobei ein Ausgleich mit den Rechten bisheriger Grundbesitzer*innen geschaffen wird. Die Reform sollte Menschen Rechte und Rechtsschutz in Bezug auf ihre Häuser oder das Land gewähren, auf dem sie arbeiten und sich aufhielten, auch die Menschen in kommunalen Gebieten. Sie regelt, inwieweit diese Rechte die Grundbesitzer*innen in die Lage versetzen, ihr Eigentum, die Nutzung und ihren Zugang zu Land zu verteidigen. In Südafrika dient der Interim Protection of Informal Land Rights Act 31 (IPILRA) von 1996 derzeit als übergreifendes Rechtsinstrument, das die informellen und gewohnheitsmäßigen Rechte der Menschen auf Land in kommunalen Gebieten sichert. Obgleich noch kein ständiges Gesetz über kommunalen Landbesitz in Kraft getreten ist, gewährleistet das IPILRA kommunale Landrechte und sichere Grundbesitzverhältnisse, indem es die Rechte der Menschen auf Zugang zu sowie Nutzung und Inbesitznahme von Land schützt, einschließlich der Begünstigten von Trusts und der Menschen, die dasselbe Land seit 1993 ununterbrochen genutzt haben.

In der Praxis werden die informellen und gewohnheitsmäßigen Landrechte der Menschen jedoch routinemäßig verletzt, und die Rechtsmittel für die Opfer sind spärlich und unwirksam. Darüber hinaus haben viele Menschen keine Dokumente als Nachweis für ihre Landrechte. Vor allem für kleine Lebensmittelproduzent*innen stellt das ein großes Hindernis beim Zugang zu Finanzmitteln dar. Dies gilt sowohl für Finanzierungen im privatwirtschaftlichen Sektor als auch für staatliche Darlehen und Zuschüsse, da Landwirt*innen einen Nachweis ihrer Besitzverhältnisse erbringen müssen, um solche Mittel zu beantragen. 

Ein Faktor wurde in der Debatte über Südafrikas Landfrage deutlich vernachlässigt: die Landreform für städtische Flächen. Grund dafür ist, dass der Fokus bei allen drei Pfeilern der Landreform auf landwirtschaftlichen Nutzflächen liegt. Infolgedessen wurde die Reform des ländlichen und städtischen Raums oft getrennt diskutiert. Der enge Zusammenhang zwischen den Kämpfen um Land in städtischen und in ländlichen Gebieten bleibt außen vor und dementsprechend bleiben Lösungen aus, die Probleme beider Seiten berücksichtigen könnten. Erst in den letzten Jahren hat der explizite Begriff «urbane Landreform» in der politischen Agenda des Post-Apartheid-Südafrika Beachtung gefunden. Dennoch ist die Reform für urbane Gebiete kaum vorangeschritten. Schon allein die Existenz informeller Siedlungen zeigt deutlich, wie ungleich der Zugang zu Land in städtischen Gebieten verteilt ist. Die südafrikanische Verfassung von 1996 verlangt vom Staat, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Bürger*innen zu gleichen Bedingungen Zugang zu Land und angemessenem Wohnraum erhalten. In städtischen Gebieten ist jedoch die mangelnde Verfügbarkeit von preisgünstigem, gut gelegenem und gut erhaltenem Land nach wie vor ein großes Hindernis für die Umsetzung dieses Verfassungsrechts. Für kohärente Lösungsvorschläge für die Landfrage wären Bedarfsanalysen erforderlich, welche die Kluft zwischen ländlichen und städtischen Gebieten berücksichtigen.

Transformation erfordert Handeln

Die Gründe für das schleppende Tempo der Landreform in Südafrika werden weiterhin diskutiert. Auf der ANC-Konferenz im Dezember 2017 wurde der Vorschlag der «entschädigungslosen Enteignung» als möglicher Weg der Umverteilung von Land ein weiteres Mal diskutiert. Dabei wurde erneut die Frage erörtert, wie die Landreformagenda beschleunigt werden kann, und zwar ohne die Einschränkungen des marktorientierten Ansatzes. Im Dezember 2018 veröffentlichte das Parlament einen Entwurf für ein Enteignungsgesetz, in dem bestimmte Arten von Grundstücken aufgeführt sind, die «ohne Entschädigung enteignet werden können». Dies signalisierte die Bereitschaft der ANC-geführten Regierung, die «Null-Entschädigung» zu testen. Gleichzeitig hielt sie an ihrer Position fest, große Teile landwirtschaftlicher Nutzflächen von der Enteignung auszunehmen. Dieser Prozess fand im Dezember 2021 jedoch ein jähes Ende, als der ANC nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung aufbringen konnte. 

Um das wiederholte Scheitern der geplanten Umverteilung und die daraus resultierende Unzufriedenheit der Massen zu verstehen, muss man sich die Grundprinzipien der südafrikanischen Landreform nochmals ansehen. Kritiker*innen des marktorientierten Ansatzes («willing seller, willing buyer») haben ihre Besorgnis über die schwindenden Befugnisse des Staates bei einem gleichzeitigen Erstarken des Marktes ausgedrückt. Bei diesem Modell diktiert der «willige Verkäufer» nicht nur den Verkaufspreis für das Land, sondern auch, wie viel Land letztendlich im Rahmen des staatlich zugewiesenen Budgets übertragen wird. Diese Debatte, die in den frühen 2000er Jahren an Dynamik gewann, drehte sich sowohl um den Ermessensspielraum als auch um die Höhe der Entschädigung für Grundbesitzer*innen. Befürworter*innen dieses Ansatzes, wie die Demokratische Allianz (DA), beklagen, dass die Regierung beim Aufkauf von Land, das neu auf den Markt kommt, nicht proaktiv genug agiere.

Das schleppende Vorankommen der Landreform und die schwankende Intensität der Bemühungen in der Landfrage deuten darauf hin, dass sich die Politik in diesem Bereich im Kreis dreht. Diese Situation ist parteiübergreifend und spiegelt sich auch in den Massenmedien wider. Solange die Hemmnisse einer wirkungsvollen Landreform wie etwa unklare Zielsetzungen, die Inkohärenz der Regierungspolitik und der entsprechenden Maßnahmen, fehlende Kapazitäten und Finanzmittel sowie ein im besten Fall schwankender politischer Wille, den Fortschritt weiterhin aufhalten, bleibt die Landfrage in Südafrika weitgehend ungelöst. Die bekannte Expertin und Aktivistin, die sich in der Landdebatte Südafrikas engagiert, Prof. Ruth Hall von der University of the Western Cape, sagte 2018 auf einer öffentlichen Veranstaltung über die Landreform: «Die Landfrage ist keine einzelne Frage, sondern unterteilt sich in den städtischen und ländlichen Raum, sowie im ländlichen Raum noch einmal in Gebiete mit kommerzieller Landwirtschaft und kommunale Gebiete.» Hall führte weiter aus, dass sich die Landfrage im Großen und Ganzen auf den Zugang zu Land bezieht, beziehungsweise  darauf, wem das Land zusteht, sowie auf Pachtverhältnisse, die festlegen, welche Rechte den Menschen zustehen sollten. Dies sind die Fragen, mit denen sich die Südafrikaner*innen auch nach dreißig Jahren Demokratie noch auseinandersetzen müssen.

Politische Vorschläge für eine Landreform

Ein idealer Ausgang der Landreform wäre ein gerechter Zugang zu Land, der den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung trägt und nicht nur die Landwirtschaft und den kommerziellen Erfolg in den Blick nimmt. Eine solche Landreform würde auch die räumliche Ungleichheit angehen und den Armen in den Städten Grundbesitz ermöglichen. In Anbetracht der damit verbundenen Herausforderungen forderten verschiedene Interessengruppen (darunter Bauernverbände, Gemeinden und Bezirksbeauftragte für Landfragen), der Staat solle eine umfassendere, nicht nur durch die Marktkräfte bestimmte Strategie für den Landerwerb verfolgen, etwa durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen, einschließlich Subventionen und Enteignungen, wenn dies erforderlich ist.

In den letzten Jahren unternahm die Staatsführung konzertierte Anstrengungen, um die verschiedenen politischen Maßnahmen, Regierungsprogramme und Ausgaben für die südafrikanische Landreform seit deren Beginn in den 1990er Jahren zu untersuchen und sich ein Bild über die Ergebnisse und Auswirkungen dieser Maßnahmen zu machen. Angeführt wurden diese Bemühungen zum einen durch das High Level Panel on Assessment of Key Legislation and Acceleration of Fundamental Change von 2018 unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten Kgalema Motlante und zum anderen durch das Presidential Advisory Panel (PAP) von 2019, das vom amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa einberufen wurde. Beide fordern, ein Rahmengesetz zur Landreform zu verabschieden, damit die geplante Umverteilung endlich effektiv umgesetzt wird.

Eine erste wichtige Änderung, die das PAP eingeführt hat und die bereits bei anderen Programmen wie «Ein Bauer, ein Hektar» zum Tragen kam, besteht darin, die Größe der zu übertragenden landwirtschaftlichen Parzellen zu verringern. Das kann den gesamten Prozess beschleunigen und wäre ein Zeichen von Gerechtigkeit, auf das so viele Menschen gewartet haben. Gleichzeitig sind bei kleineren Parzellen keine großen Investitionen zur Mechanisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung notwendig, um den Status eines landwirtschaftlichen Großbetriebs zu erlangen. Der Präsident gab kürzlich bekannt, dass solche kleineren landwirtschaftlichen Parzellen an über 200.000 Begünstigte übertragen wurden. Eine zweite wichtige Veränderung, die das PAP hervorgebracht hat, ist die Erkenntnis, dass die Provinzregierungen bei der Stadtplanung verschiedene Faktoren in Betracht ziehen müssen. Von Armut betroffenen Menschen, die in die Städte ziehen, um dort Arbeit zu finden, bleibt oft nichts anderes übrig, als reflexhaft in Wellblechhütten oder Hinterhofbehausungen zu ziehen. Sie mieten Unterkünfte von Hausbesitzern in den Townships, von denen nur wenige richtige Häuser zur Verfügung stellen. Stattdessen verdienen sie Geld damit, Hinterhofflächen zur Verfügung zu stellen, auf denen die Mieter Hütten bauen können. Hebel wie Sozialwohnungen und deutlich höhere Investitionen in ein Grundeinkommen für alle sollten gezielt eingesetzt werden, um den Zugang zu Wohnraum in städtischen Gebieten zu verbessern.

Politische Forderungen, wie zum Beispiel von Basisbewegungen, zivilgesellschaftlichen Gruppen, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und fortschrittlichen akademischen Gemeinschaften, sehen weiterhin vor, dass die Hälfte des vom Staat im Rahmen der Landreform erworbenen Landes, Mittellosen und gefährdeten Gruppen zugutekommen sollte. Sie plädieren außerdem für einen vollständig dezentralisierten und partizipativen Prozess zur Umsetzung der Landreform. Dieser dezentrale Ansatz und die entsprechenden Programme müssten in beide Richtungen gehen. Damit soll verhindert werden, dass die nationale Politik zwar die lokale Planung steuert, ohne aber die Erfahrungen und Sichtweisen der Zielgruppen oder der Begünstigten, z. B. der Kleinbäuer*innen, angemessen zu berücksichtigen. Ein solch durchdachter, dezentraler Ansatz kann verhindern, dass der lokalen Planung die Vorgaben der nationalen Politik aufgezwungen werden, ohne die Erfahrungen und Sichtweisen der Zielgemeinschaften oder der Begünstigten auf lokaler Ebene ausreichend zu berücksichtigen.

Übersetzung von Cornelia Gritzner und Cornelia Röser für Gegensatz Translation Collective.