News | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Commons / Soziale Infrastruktur Mehr Miete für die Dividende

Gestärkt durch den Verkauf von 4.500 Wohnungen setzt Vonovia auf noch höhere Mieten

Information

Author

Knut Unger,

Mieter*innen-Protest vor der Vonovia-Zentrale
Mieter*innen-Protest vor der Vonovia-Zentrale Foto: Knut Unger

Folge 2 von «CASH IS KING - Vonovia und Co. verstehen». Eine Reihe von Knut Unger zur Lage der finanzialisierten Wohnungswirtschaft.

Noch im März 2024 hatte die Vonovia wegen hoher Immobilienabwertungen öffentlich ein schlechtes Bild abgegeben. Pünktlich zur Hauptversammlung am 8. Mai 2024 versucht die Vonovia, das Bild zu korrigieren. Dabei spielt ihr in die Karten, dass ihr das Land Berlin mit einem Wohnungsrückkauf im Umfang von 700 Millionen Euro die gefährdete Liquidität sichert. Bereits im Laufe des Jahres 2024 will die Vonovia wieder mehr in gewinnsteigernde Modernisierungen investieren. Den Anlegern verspricht sie eine starke Erhöhung der Dividende. Dafür soll der Staat auf Beschränkungen der Mietererhöhungen verzichten.

Knut Unger ist Mitarbeiter des MieterInnenvereins Witten und Umg. e.V. und aktiv bei der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen und dem bundesweiten Mieter*innenbündnis VoNO!via & Co.

«Wir wissen, dass unsere Verschuldung für die gegebene Zins-Situation zu hoch ist», sagte Vonovia-Chef Rolf Buch im Sommer 2023 vor Analysten. Es werde Jahre dauern, bis aus der «Schuldenstory» der Vonovia wieder eine «Eigenkapitalstory» werde. Nicht um Wachstum und zukünftige Gewinne gehe es nun, sondern um flüssige Mittel, mit denen die in den letzten Jahren angehäuften Schulden abgebaut werden können. Das Zeitalter der mit Mieten und Krediten finanzierten Großübernahmen der Konkurrenz wurde so für beendet erklärt.

Der im März 2024 veröffentlichte Geschäftsbericht 2023 schien diese Diagnose zu bestätigen. Die Immobilien der Vonovia mussten um 10,6 Milliarden Euro abgewertet werden, die Verschuldungsrate stieg um mehr als zwei Prozentpunkte. Der Verkauf von Wohnungen und Mehrfamilienhäusern, der eigentlich flüssige Finanzmittel in die Kassen spülen sollte, war fast zum Erliegen gekommen. Die kurz zuvor noch bedeutenden Renditetreiber Modernisierung und Neubau mussten zusammengestrichen werden. Auch die als Zukunftshoffnung gehandelten zusätzlichen Dienstleistungen floppten. Nur die Mieten stiegen auch ohne Investitionen immer weiter und vermittelten den Anleger*innen Zuversicht.

Als am 30. April 2024 der Zwischenbericht für das erste Quartal 2024 erschien, fand Vonovia-Chef Buch allerdings ganz andere Worte: «Die Talsohle bei der Wertentwicklung ist praktisch greifbar. Wir erwarten, die Phase der Stabilisierung in diesem Jahr abzuschließen. Die Rückkehr zum Wachstumskurs ist in Sicht. Spätestens ab 2025 wollen wir umschalten und uns wieder auf die Steigerung unserer Erträge konzentrieren.» 

Wie ist die Wende vom April 2024 zu erklären?

Erstens stand die Hauptversammlung 2024 kurz bevor. Traditionell ist das ein Termin, bei dem den Aktionär*innen Gewinnerwartungen und der Öffentlichkeit ein positives Image vermittelt werden sollen. Vonovia-Chef Rolf Buch nutzt sie auch gern zum Politisieren. In einer Journalistenpräsentation führte der Konzern schwere Geschütze gegen die gerade mit «Ach und Krach», gegen den erklärten Willen der FDP, geretteten Verlängerung der lahmen, weil kaum wirksamen Mietpreisbremse auf. Sie drohe, den «Markt in eine Schieflage zu bringen». Die Mieten würden im Vergleich zu Lebensmitteln und Energie zu wenig steigen und seien «nicht leistungsgerecht». Dringend benötigter Neubau könne «so nicht entstehen». Die Mietgesetze müssten so verändert werden, dass sie nicht mehr «vermögende Menschen» schützten. Außerdem müssten Baustandards vereinfacht und die Staatsquote gesenkt werden (siehe Vonovia Geschäftsentwicklung 1. Quartal 2024). Diese Verknüpfung einer neoliberalen Agenda mit einer wortreich formulierten Sorge um eine ausreichende Wohnungsversorgung ist politisches Programm. In einem Artikel der WAZ wird der Vorstandvorsitzende der Vonovia, der pro Jahr eine Gesamtvergütung von mehreren Millionen Euro erhält, sogar persönlich und berichtet über die Schwierigkeiten seiner Tochter, die als Berufsanfängerin in Frankfurt angeblich einen Gehaltnachweis ihres Vaters vorzeigen musste, um zu einer Wohnung zu kommen.

Zweitens hat die Finanzengineering-Abteilung der Vonovia tatsächlich hart gearbeitet. Sie hat mehrere in absehbarer Zeit auslaufende Unternehmensanleihen aus Furcht vor später noch höheren Zinsen frühzeitig abgelöst und in den letzten Monaten drei große neue Unternehmensanleihen starten können. Eine davon in Britischen Pfund, eine andere in Schweizer Franken. Die Vonovia ist stolz, dass die internationalen Finanzmärkte ihre vorrangig deutschen Wohnungen als Anlageziel schätzen. Die Zinsen sind mit über vier, fünf Prozent im Vergleich zu den Konditionen, die es noch 2021 gab, allerdings sehr hoch. Dies gilt auch für die größte und neueste Anleihe, einen «Social Bond» über 800 Millionen Euro. Der soll angeblich preisgünstige Wohnungen finanzieren, wobei man fragen kann und muss, wo es bei der Vonovia überhaupt preisgünstigen Neubau gibt. In eine ähnliche Kategorie fällt die zinsvergünstigte Anleihe über 600 Millionen Euro, die die Europäische Investitionsbank der Vonovia bereits im Herbst 2022 für die Finanzierung energetischer Investitionen bewilligte. Von ihr wurden im Geschäftsjahr 2023 die ersten 450 Millionen Euro ausgezahlt. Wie sich aus einer Anfrage der Bundestagsabgeordneten Caren Lay (Die Linke) ergibt, ist diese Anlage mit keinerlei sozialen Auflagen verbunden. Sie taucht auch nicht in den Modernisierungsabrechnungen der Mieter*innen auf, obwohl dies bei zinsvergünstigten öffentlichen Darlehen gesetzlich vorgesehen ist. 

Drittens ist es der Vonovia kurz vor der Hauptversammlung gelungen, ein größeres Wohnungspaket zu veräußern. Ende April 2024 erwarb das Land Berlin über seine landeseigenen Wohnungsunternehmen von Vonovia 4.500 Wohnungen in Plattenbauweise für einen Preis von 700 Millionen Euro. Nach Vonovia-Angaben liegt der Buchwert bei 698 Millionen Euro. Der Konzern feiert diesen Verkauf als Bestätigung seiner fiktiven Wertermittlung. Allerdings handelt es sich um den Buchwert nach Abwertung zum 31.12.2023. Vor diesem Termin hätte die Vonovia ca. 14 Prozent mehr verlangen müssen, um kein bilanzielles Verlustgeschäft zu machen. Der Kauf ist also keine Bestätigung für die ursprüngliche Wertermittlung der Vonovia, sondern vor allem dafür, dass der Konzern den Wert seiner Wohnungen deutlich überschätzt hatte. Gut möglich, dass nach diesem Discount jetzt auch weitere Verkäufe «zum Buchwert» möglich werden. Die Vonovia peilt laut eigener Aussagen ein Volumen von 3 Milliarden Euro an. Den Wertverlust vom Jahresende 2023 aufholen kann sie damit nicht.

Und viertens sind die von der Vonovia erwarteten Mietsteigerungen noch einmal gestiegen, - trotz verlängerter Mietpreisbremse! Im Geschäftsjahr 2023 stiegen die Mieten der Vonovia ebenso wie in den letzten zwölf Monaten um 3,8 Prozent, in Deutschland allerdings nur um 3,3 Prozent (Q1 2024, Earnings Call Presentation). Trotzdem liegt auch diese Steigerungsrate weit über dem bundesweiten Mietpreisindex (siehe Abbildung 1). Sie ist im Jahr 2023 mehr als sonst üblich nicht auf mieterhöhungswirksame Modernisierungen zurückzuführen, sondern vorwiegend auf Anpassungen an die «Marktmieten».