News | Kapitalismusanalyse Wind? Kern? Kohle?

Erneuerbare Energien in kommunaler Verantwortung

Beitrag von Hans-Kurt Hill zur Fachtagung Linke Kommunalpolitik

Das Saarland ist ein Energieland
Das Saarland ist und sollte ein Energieland bleiben. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die vorhandene und zukünftige wirtschaftspolitische Perspektive des Saarlandes. Die Energieerzeugung ist einer der wichtigsten Faktoren zur weiteren industriellen Entwicklung des Industriestandortes. Ohne die historische Vergangenheit des Saarlandes mit den vorhandenen Kohlevorkommen hätte es den Erfolg der saarländischen Stahlindustrie nicht gegeben. Bis heute profitieren die Saarländerinnen und Saarländer von diesen Errungenschaften der Vergangenheit.
Leider hat das Saarland unter allen Regierungen den Umbau der Energieversorgung verschlafen. Dabei haben wir mit den dezentralen Kohlekraftwerken (1), dem Bergbau und den Industriestrukturen die besten Voraussetzungen vorgehalten. Nur in geringen Teilen partizipieren Unternehmen von der Herstellung von Wind- und Solarkraftanlagen. Der politisch und gesellschaftlich motivierte Widerstand zur Errichtung dieser Anlagen hat die Ansiedlung von Unternehmen in dem Segment erneuerbare Energien nicht gefördert. Im wissenschaftlichen Bereich zeigt das Saarland jedoch mit dem Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) (2) namentlich mit dem wissenschaftlichen Leiter Professor Uwe Leprich (3) Flagge.

Widerspruch
In dem Vortrag will ich den Widerspruch in dem sich unsere Gesellschaft in Bezug auf den Raubbau an endlichen Rohstoffen und der Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien aufzeigen. Das, was wir als Vorwand oder Einwand bei der Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien einbringen, wird bei der Gewinnung und Erzeugung von Energie aus fossilen oder atomaren Anlagen ausgeblendet.
Eigentlich müssen wir nicht nach Kolumbien, Russland oder Kanada schauen, wo im wesentlichen die Kohle für unsere Kraftwerke gewonnen wird. In den Braunkohlerevieren in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen, Sachsenanhalt finden wir ebenfalls genügend Beispiele.
Je länger wir fossile Rohstoffe zur Energieerzeugung importieren müssen, um so länger tragen wir Verantwortung für die substanziellen Konsequenzen der Menschen in den Abbaugebieten der Welt.
Was würden wir sagen, wenn Konzerne den Schwarzwald zur Gewinnung von Kohle beseitigen dürften, einhergehend mit der Vernichtung der Kulturlandschaft, Vergiftung der Oberflächen- und Grundgewässer und dem Verlust von Lebensraum für Menschen und Tiere.
So geschieht es zurzeit in den USA, in den Appalachen. Nachweislich haben die dort lebenden Menschen die kürzeste Lebenserwartung in den USA. E.on bezog 28 Prozent, EnBW 24 Prozent und Vattenfall sogar 40 Prozent der Kohle aus diesen Abbaugebieten. (Quelle: bitter col) (4).
So schreibt "Die Zeit" (5) im April 2013 „Sterben für deutschen Kohlestrom“. Sie zitiert den Naturfotograf Corbit Brown (6): „ Ein Idyll und ein der artenreichsten Gebiete Nordamerikas. Doch mittendrin klaffen gelbe, staubige Löcher. Ganze Bergspitzen fehlen. Sie wurden weggesprengt, um an die Kohle darunter zu gelangen.“ Er stellt die Frage: „Wie würden die Deutschen es finden, wenn Bergbaukonzerne die Zugspitze sprengten?  Der Staub bleibt in der Luft und macht die Menschen krank: Krebserkrankungen, Herzleiden und Fehlbildungen bei Säuglingen nehmen zu; die Lebenserwartung sinke. 500 Bergspitzen sind zerstört, Bergflüsse auf eine Länge von 2.000 Meilen verschüttet und 66.500 Quadratkilometer Wald sind vernichtet.“ "Es ist die schrecklichste Form des Bergbaus, die man sich vorstellen kann", sagt Corbit Brown. "Die Menschen in den Appalachen zahlen mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben.“
Die Bevölkerungen Provinzen La Guajira (7) und Cesar (8) in Kolumbien leiden ebenfalls unter den weltgrößten Tagebauen. In einem Bericht der FIAN (9) ist zu lesen: „In Kolumbien müssen für die Tagebaue ganze Flüsse umgeleitet werden. Tausende Hektar fruchtbares Ackerland gehen verloren. Tägliche Sprengungen und der Transport der Kohle mit Lastkraftwagen und Güterwaggons verursachen eine immense Feinstaubbelastung, die zu massenhaften Atemwegserkrankungen unter der lokalen Bevölkerung führen. Nicht zu sprechen vom Lärm, den die Bevölkerung zu erdulden hat, wenn im Halbstundentakt Güterzüge mit über 1000 m Länge an ihren Häusern vorbei donnern.“
El Cerrejón (10), ebenfalls in Kolumbien, ist einer der größten Steinkohle-Tagebaue der Welt: 69.000 Hektar Fläche, 9.500 Angestellte, 32 Millionen Tonnen Jahresausbeute. Aus der Megagrube stammt ein großer Teil der kolumbianischen Steinkohleproduktion die nach Deutschland exportiert wird.
Zum Vergleich: Der Tagebau Garzweiler (11) im rheinischen Braunkohlerevier, umstritten wegen der sozialen und ökologischen Schäden, die er verursacht, erstreckt sich über 11.400 Hektar.
Das hat Folgen für die Gesundheit der Menschen. Auf dem Gebiet von El Cerrejón haben schätzungsweise früher 60.000 Menschen gelebt.
Es ist davon auszugehen, dass diese Kohle in den saarländischen Kraftwerken verbrannt wird. Deutschland importiert billige Kohle, die Zeche zahlen Mensch und Natur in den Abbaugebieten. 
Paramilitärische Einheiten verunsichern täglich die Gegend, bedrohen und töten Gewerkschaftler die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.  Der Bergbau führt zur Zerstörung von Kulturlandschaften, die als Anbaufläche zur Ernährung der Bevölkerung dienten. Grubenwasser vergiftet die Flüsse, Seen und das Grundwasser. Der Abbau führte dazu, dass den Menschen ihre bisherige Lebensgrundlage, die überwiegend auf Landwirtschaft und Viehzucht beruhte entzogen wurde. Nur wenige finden Beschäftigung in den Bergbauregionen. Es folgte die Verarmung und Verelendung der Bevölkerung.

Widerstand und Verantwortung
Ich stelle die Frage: „Wer kann angesichts der Zerstörung der Lebensräume in Kolumbien, deren Kohle die Energieträger der Kraftwerke im Saarland sind, von einer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Infraschall, Geräusche und Schlagschatten reden? Wer stellt sich, vor ein landschaftliches Kunstwerk, während multilaterale Konzerne den Kolumbianerinnen und Kolumbianer ihren Lebensraum zerstören?“ 
Tragen wir nicht auch Verantwortung für die Bergwerksunfälle in Russland und anderen Kohleexportländer in Osteuropa, da wir ihre billige Kohle kaufen und dafür das Fehlen von Arbeits- und Umweltschutz billigen?
Verschandelung und Verspargelung der Landschaft, Gesundheitsbeeinträchtigung durch Infraschall, Lärm und Schlagschatten sind die Argumente der Anti-Befürwortern der erneuerbaren Energien. Die Betrachter fühlen sich durch die riesigen Windkraftanlagen oder großflächigen Solarfelder in ihrem persönlichen (subjektiven) Empfinden gestört. In einem Fall widerspricht die Errichtung von Windkraftanlagen dem künstlerischen Gespür eines landschaftlichen Gesamtkunstwerkes. Aus Sicht der Betroffenen ist das nachvollziehbar. Aus gleichem Grund gibt es auch Widerstand beim Bau von Straßen, Industrie- und Gewerbeansiedlungen. Akzeptanz wird lediglich in geringem Maße erzeugt wenn es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze geht, die unmittelbar mit einer Ansiedlung in Verbindung gebracht werden.
Aber in welchem Verhältnis stehen diese Argumente, wenn man die Situation der Menschen in den Abbaugebieten sieht aus denen wir unsere Energierohstoffe beziehen.

Verantwortliches Handeln
Im Regionalverband Saarbrücken (12) wurde mit dem Ausweisen von Konzentrationszonen in dem eng besiedelten Gebiet die Möglichkeit geschaffen, Windkraftanlagen zu errichten. In einer Potenzialstudie (13) des Regionalverbandes Saarbrücken wurde durch relevante Ausschlusskriterien (hohe Siedlungsdichte und Restriktionsdichte durch Natur-, Artenschutz und Infrastruktur) von 41099 Hektar eine Gesamtfläche von 380 Hektar als relevante Standfläche für Windkraft ermittelt. Ich habe Verständnis, dass die durch die Konzentrationszone betroffene Bevölkerung sich durch die Errichtung der Anlagen gestört fühlt. Damit ist jedoch ausgeschlossen, dass außerhalb dieser Zonen keine Anlage nach der geltenden Gesetzeslage gebaut werden kann. Gleichsam kann eine Befragung aller Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen zur Aufklärung beitragen. Somit haben Befürworter wie Gegner die Möglichkeit ihre Argumente darzustellen. 
Ich hoffe, dass mein Beitrag auf die Tatsache aufmerksam gemacht hat, dass unsere Verantwortung nicht vor unserer Haustür endet. Jede KW-Stunde erneuerbare Energien hilft den Menschen in den Ländern die nicht über einen gesetzlichen Schutz wie in Deutschland verfügen. Der Landschaftsverbrauch und die Einschränkungen stehen in keinem Verhältnis zu dem, was an anderer Stelle der Welt in diesem Zusammenhang geschieht.
Die nächste Generation der Bürgerinnen und Bürger wird das Windrad und die Solarfläche mit ganz anderen Augen subjektiv wie objektiv empfinden.

1) Saarländischer Energiebeirat AG „Kraftwerksstandort Saar“ Ergebnispapier Juni 2013
http:// www.saarland.de/dokumente/thema_energie/energiebeirat_kraftwerke.pdf
2) Institut für Zukunftssystem IZES http:// www.izes.de
3) Wikipedia Prof. Uwe Leprich http://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Leprich
4) bitter col http://fianv2.kohleimporte.de/uploads/media/bittercoal.pdf
5) DIE ZEIT „Sterben für deutschen Kohlestrom“ http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-04/kohle-ausstieg-forderung
6) Corbit Brown Photogallerie „Mountain Top Removal Cola Mining“ http://www.paulcorbitbrown.com/Photo_Galleries/Pages/Mountain_Top_Removal.html
7) Wikipedia LaGuajira http://de.wikipedia.org/wiki/La_Guajira
8) Wikipedia Cesar http://de.wikipedia.org/wiki/Departamento_del_Cesar
9) FIAN Deutschland Mit Menschenrechten gegen den Hunger  http://www.fian.de
10) Wikipedia El Cerrejón http://de.wikipedia.org/wiki/El_Cerrejón
11) Wikipedia Tagebau Garzweiler http://de.wikipedia.org/wiki/Tagebau_Garzweiler
12) Regionalverband Saarbrücken Integriertes Klimaschutzkonzept http://www.regionalverband-saarbruecken.de/staticsite/staticsite.php?menuid=661&topmenu=255&keepmenu=inactive
13) Regionalverband Potentialstudie http://www.regionalverband-saarbruecken.de/pics/medien/1_1378129449/ppt_Wind_PV.pdf