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Die südafrikanische Gewerkschaftslandschaft vor und nach Marikana

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Mitglieder der Bergbaugemeinde auf dem «Hügel des Grauens», Mai 2013. Dort tötete die südafrikanische Polizei am 16. August 2012 34 Bergleute während eines Streiks in der Platinmine Marikana von Lonmin in Rustenburg, 100 km nordwestlich von Johannesburg.
Mitglieder der Bergbaugemeinde auf dem «Hügel des Grauens», Mai 2013. Dort tötete die südafrikanische Polizei am 16. August 2012 34 Bergleute während eines Streiks in der Platinmine Marikana von Lonmin in Rustenburg, 100 km nordwestlich von Johannesburg. picture alliance / REUTERS | SIPHIWE SIBEKO

Am 16. August jährt sich das Massaker von Marikana zum zehnten Mal. An diesem Tag tötete die südafrikanische Polizei 34 streikende Bergarbeiter. Das Massaker markierte ebenso einen Wendepunkt in der Geschichte der südafrikanischen Gewerkschaftsbewegung und der Beziehungen zwischen Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften (Alexander 2013; Marinovich 2016). Angesichts des zehnten Jahrestags dieses schicksalhaften Vorfalls ist es umso notwendiger, dessen Auswirkungen auf die gewerkschaftliche Organisationslandschaft zu untersuchen.

Die Erfahrungen Südafrikas mit dem Kolonialismus und der Apartheid haben eine Gewerkschaftslandschaft geprägt, die sich durch die Verknüpfung von betrieblichen Kämpfen mit dem breiteren Kampf gegen die Apartheid auszeichnet. Dies führte zur Bildung von Bündnissen zwischen Gewerkschaften und den führenden politischen Bewegungen. Der wichtigste Gewerkschaftsverband, der Congress of South African Trade Unions (COSATU), schloss 1990 ein Dreierbündnis mit den wichtigsten politischen Parteien, dem African National Congress (ANC) und der South African Communist Party (SACP). Diese «Tripartite Alliance» bestimmte die politische und organisatorische Ausrichtung der südafrikanischen Gewerkschaften in den ersten Jahren nach dem demokratischen Wandel. Über einen dreiseitigen Dialog zwischen Regierung, Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeber*innenorganisationen und die Foren für Tarifverhandlungen wurden die Gewerkschaften zu wichtigen strategischen Partner bei der Formulierung der staatlichen Politik. Arbeitskonflikte wurden in hohem Maße institutionalisiert. Dies schuf den Raum für einen abgestimmten Interessensausgleich zwischen Arbeit, Kapital und Staat.

Crispen Chinguno ist Soziologe und forscht an der Sol Plaatje University im südafrikanischen Kimberley mit den Schwerpunkten Arbeit, Gewerkschaften und soziale Bewegungen.

Das Massaker von Marikana warf die Frage auf, wie die organisatorische und politische Ausrichtung der Gewerkschaften in der Zeit nach der Apartheid zu verstehen ist, stellte es den Kern der strategischen politischen Bündnisordnung in Frage. Einige der Antworten auf die durch Marikana aufgeworfenen Fragen lassen sich aus einer kritischen Analyse der Entwicklungen in der Gewerkschaftslandschaft nach dem Massaker ableiten.

Systemische Kontinuität: Niedriglohnarbeit nach der Apartheid

Historisch gesehen gilt der Bergbau in Südafrika seit der Entdeckung von Diamanten im Jahr 1869 und von Gold im Jahr 1884 als bestimmender Faktor für die Gestaltung der sozioökonomischen und politischen Ordnung des Landes und ist von entscheidender Bedeutung für die Zusammensetzung der breiteren Gesellschaft. Die Industrie ist für mehrere bedeutende Veränderungen in der Geschichte Südafrikas verantwortlich, so die Urbanisierung, die Proletarisierung, die Klassenbildung und die Herausbildung der Klassenkonflikte (Johnstone 1976). Nach Sachs (1952: 92) «hat die Bergbauindustrie nicht nur eine fast unanfechtbare Macht über das Wirtschaftsleben ausgeübt, sondern sie hat auch weitgehend die Art der sozialen Entwicklung des Landes bestimmt und Regierungen und politische Parteien hervorgebracht, wieder abgesetzt, und das kulturelle und intellektuelle Leben des Landes beeinflusst».

Die Industrie entwickelte sich auf der Grundlage des Wanderarbeiter*innen- und Herbergssystems, das sich in ihre übergreifende Akkumulationsstrategie fügte. Schwarze Arbeiter*innen wurden aus ihren ländlichen Heimatorten geholt, um mit einem befristeten Vertrag in den Minen zu arbeiten. Untergebracht wurden sie in Wohnheimen unter unmenschlichen Lebensbedingungen (Crush 1989). Diese Arbeiter*innen kehrten nach Ablauf ihres Vertrags in ihre Heimat zurück – mit einem Lohn, der nicht die Lebenshaltungskosten abdeckte. Dieses System ermöglichte es dem Bergbaukapital, die Reproduktionskosten in die ländliche Wirtschaft zu externalisieren, die ansonsten als Teil einer sekundären vorkapitalistischen Produktionsweise fortbestanden hätte. Außerdem funktionierte das System als eine Form der Kontrolle der Schwarzen Arbeiter*innen durch das Bergbaukapital (Wolpe 1972).

Dies änderte sich jedoch mit der zunehmenden Militanz der Schwarzen Bergarbeiter, die 1982 in der Gründung der National Union of Mineworkers (NUM) gipfelte. Indem sie die Wohnheime eroberte und sie zu Räumen der Mobilisierung und des Aufbaus von Solidarität unter den Schwarzen Arbeiter*innen machte, unterlief die NUM die Kontrolllogik der Arbeitgeber*innen (Bezuidenhout und Buhlungu 2011). Der Druck der Befreiungsbewegungen, des liberalen Kapitals und der Gewerkschaften gipfelte in der Änderung der Strategie des Bergbaukapitals in den späten 1980er Jahren. Der Staat, das Kapital und die NUM kamen überein, das Wanderarbeiter*innen- und Herbergssystem im Laufe der Zeit aufzulösen und sich auf stabilere Arbeitskräfte aus den örtlichen Gemeinden zu verlegen (Crush 1989). Dies war Teil der Wiederherstellung der Würde der Schwarzen Minenarbeiter*innen und der Regulierung der Arbeitsbeziehungen (Moodie 2016).

Gleichzeitig führte dies zu einer Verlagerung der Kosten auf Dritte wie Subunternehmer*innen und Zeitarbeitsfirmen. Dies war gekennzeichnet durch eine ansteigende Anzahl und der unterschiedlichen Beschäftigungsformen von prekär Beschäftigten. Dies stellte für die Gewerkschaften eine Herausforderung dar. Arbeitnehmer*innen, die über Dritte eingestellt werden, sind oft schwer zu organisieren. Gleichzeitig werden sie im Rahmen einer langjährigen Strategie zur Aufrechterhaltung des Systems billiger Arbeitskräfte niedrig entlohnt.

Der Übergang zur Abhängigkeit von Arbeitskräften, die über Dritte beschafft werden, ist Teil einer neuen Strategie der Kapitalakkumulation und der Organisation von Arbeitskräften, die sich vom offenkundigen rassifizierten Kapitalismus unterscheidet. Dies spiegelt in vielerlei Hinsicht wider, wie sich der Kapitalismus durch die Schaffung von Spaltungen, Unterschieden und Hierarchien, die durch Ungleichheit gekennzeichnet sind, selbst aufrechterhält. Obwohl die Zahl der Arbeitsmigrant*innen deutlich zurückgegangen ist, handelt es sich bei einer beträchtlichen Anzahl von Arbeitnehmer*innen im Platinsektor um Migrant*innen aus verschiedenen Teilen Südafrikas und Ländern wie Lesotho, Eswatini und Mosambik. Gleichzeitig hat Südafrika seit dem Ende der Apartheid keine großen Fortschritte bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter*innen gemacht. Das Massaker von Marikana und die Gewerkschaftslandschaft nach Marikana müssen daher im Kontext der Kontinuitäten und Diskontinuitäten mit der Apartheidvergangenheit verstanden werden.

Die Streikwelle 2012-2014 und der Aufstieg der AMCU

Die Bergarbeiter von Marikana forderten einen Mindestlohn von 12.500 Rand pro Monat (in 2012 etwa 1.235 €). Am 16. August tötete die südafrikanische Polizei 34 streikende Bergarbeiter. Im Zuge des gesamten Streiks kamen mindestens 44 Menschen ums Leben, weitere 78 wurden verletzt, und mindestens 270 wurden verhaftet und wegen Mordes an ihren Kollegen im Rahmen der «Common Law Common Purpose Doctrine» angeklagt.

Dieser Arbeitskampf war Teil der sogenannten «Platinstreikwelle» 2012 bis 2014, die im Februar 2012 durch einen Streik der Bohrgeräteführer bei Impala Platin ausgelöst worden war. Sie traten in den Ausstand, obwohl der Streik nicht von der anerkannten Gewerkschaft NUM gebilligt wurde. Der Streik löste eine beispiellose Streikwelle aus, die sich auf den Platingürtel und andere Sektoren ausbreitete und nach dem Massaker ihren Höhepunkt erreichte. Die Gewerkschaftslandschaft hat sich nach dem Massaker mehrfach gewandelt, da sie als Teil der Zivilgesellschaft in den sozioökonomischen und politischen Kontext eingebunden ist.

Die NUM war 2012 mit 320.000 Mitgliedern in zehn Regionen die größte südafrikanische Gewerkschaft und dominierend im gesamten Platingürtel. Sie vertrat über 70 Prozent der Beschäftigten der drei großen Platinunternehmen: Implats, Amplats und Lonmin. Ihre Vorherrschaft wurde durch Anerkennungsvereinbarungen gesichert, die ihr die offiziellen Organisationsrechte für die Arbeitnehmer*innen gewährten.

Die Platinstreikwelle wurde von Arbeitnehmer*innen initiiert, die sich über informelle Arbeitnehmer*innenausschüsse außerhalb der offiziellen Gewerkschaftsstrukturen organisierten. Sie war der Höhepunkt eines Arbeiter*innenaufstands, der sich gegen das Versagen der NUM bei der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen richtete. Die Streikwelle wurde von der Forderung nach angemessenen Löhnen angetrieben und stellte die NUM als anerkannte Stimme der Arbeitnehmer*innen in Frage. Viele der Arbeiter*innen waren der Meinung, dass die NUM zu sehr in die Bürokratie der Arbeitsbeziehungen verstrickt war, was sie zwangsläufig von ihrer täglichen Erfahrung abschnitt. Dies zwang sie dazu, die Vertretung durch die NUM abzulehnen, die ihrer Meinung nach vom Bergbaukapital vereinnahmt wurde.

So kam es, dass die Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU) die NUM nach der Streikwelle von 2012 und dem Massaker von Marikana verdrängte und zur mitgliederstärksten Gewerkschaft im Platingürtel aufrückte (Chinguno 2015). AMCU entstand 2001 in den Kohlefeldern der Provinz Mpumalanga als Abspaltung der NUM. AMCU versprach, den Arbeiter*innen wieder eine Stimme zu geben. Der Präsident der AMCU, Joseph Mathunjwa, entwickelte sich zu einer charismatischen Führungspersönlichkeit und einem Symbol der Gewerkschaft.

Die AMCU trat im Platingürtel mit einer neuen Form der organisatorischen und politischen Ausrichtung auf. Die Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen in allen großen Platinabbaugebieten sollten im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft und allen Bergbauunternehmen überprüft werden. Zuvor waren die Tarifverhandlungen dezentral auf Unternehmensebene geführt worden. Die Bergbauunternehmen wehrten sich gegen den Vorstoß der NUM für ein zentralisiertes Tarifverhandlungssystem in diesem Sektor. Die AMCU drehte jedoch den Spieß um, indem sie ihre Forderungen bei allen drei großen Platinproduzenten stets synchronisierte. Dabei ging es zunächst um die Forderung nach einem Mindestlohn von 12.500 Rand pro Monat. Dadurch wurden die getrennten Forderungen de facto in einen zentralisierten Tarifverhandlungsprozess umgewandelt. Mit dem Aufkommen von AMCU stiegen die Löhne der Bohrgeräteführer in Marikana von 6.000 Rand vor der Streikwelle auf 8.000-9.500 Rand nach dem Streik, je nach Klasse und Vertrag.

Das Massaker von Marikana und der Aufstieg der AMCU im Anschluss an die Streikwelle hatte tiefgreifende sozioökonomische und politische Auswirkungen. Es hat zu einer noch nie dagewesenen Umstrukturierung der organisierten Arbeitnehmer*innenschaft geführt und zum Teil massive Umstrukturierungen von Unternehmen als Anpassungsstrategie angestoßen. Amplats zog sich aus der Region Rustenburg zurück und verlagerte den Schwerpunkt seines Platinabbaus hauptsächlich auf den Tagebau in der Provinz Limpopo. Lonmin überlebte die Nachwirkungen des Marikana-Massakers nicht und musste entflochten werden. Sibanye Stillwater, das sich bis dahin auf den Goldabbau konzentrierte, entwickelte sich nach der Übernahme von Amplats Rustenburg, Lonmin und Aquarius Platin - alle in der Region Rustenburg - zum neuen Platinriesen. Das Unternehmen führte strengere Kontrollregelungen und neue Wege der Produktionsorganisation ein.

Während der Tarifverhandlungen 2014 drängte AMCU auf ein Grundgehalt von 17.000 Rand für Berufsanfänger*innen im Bergbau, was von Sibanye Stillwater abgelehnt wurde. Sibanye Stillwater bot für die unterste Besoldungsgruppe eine Aufstockung um 300 Rand pro Monat an, was unter der Inflationsrate lag. AMCU betrachtete dies als einen Versuch, ihre Mitglieder zum Streik zu zwingen. Alle drei großen Platinproduzenten lehnten die AMCU-Forderung ab, und vom 23. Januar bis zum 23. Juni 2014 wurde ein Streik ausgerufen, der 153 Tage andauerte. Der Streik wurde zu einem der langwierigsten Arbeitskonflikte in der Geschichte der südafrikanischen Arbeitswelt. Er markierte auch den Übergang von einem pluralistischen System der Arbeitsbeziehungen, das durch die Lösung von Konflikten im Rahmen von Tarifverhandlungen gekennzeichnet war, zu einem kontradiktorischen System, in dem Arbeitskonflikte häufig durch Streiks gelöst werden. Der langwierige Streik von 2014 bot der AMCU die Gelegenheit, ihre Position im Platinsektor zu festigen.

Der wirtschaftliche Kontext wirkte sich jedoch stark auf die weitere Entwicklung der Gewerkschaft und ihrer allgemeinen Organisationsstrategie aus. Im Jahr 2013 war die Nachfrage nach Platin auf dem Weltmarkt gedämpft. In der Tarifverhandlungssaison 2016 war die AMCU daher gezwungen, ihre Militanz aufzugeben und sich mit dem Bergbaukapital im Rahmen von Tarifverhandlungen auf eine Lohnanpassung zu einigen. Dies konnte als Zeichen gedeutet werden, dass sie sich im Laufe der Zeit der Logik der Arbeitsbeziehungen, die auf Klassenkompromissen und der Institutionalisierung der Beziehungen beruht, angeschlossen hat.

Marikana hat zudem gezeigt, dass die kollektive Macht der Arbeitnehmer*innen nicht auf die formellen Institutionen der Arbeitsbeziehungen beschränkt ist (Chinguno 2015). Die Arbeitnehmer*innen zeigten sich in der Lage, eine neue Form des chaotischen Dialogs außerhalb der anerkannten Institutionen der Gewerkschaftsverhandlungen zu schaffen. Die Macht dieser neuen Formen von Arbeiterkollektiven ist jedoch begrenzt, da das Gesetz nur den anerkannten Gewerkschaften Schutz gewährt.

Die Streikwelle zeigte einerseits die Kontinuität des Systems der billigen Arbeitskräfte und der Wanderarbeit auch zwanzig Jahre nach Ende der Apartheid. Andererseits war sie auch Teil des Kampfes der Arbeitnehmer*innen für menschenwürdige Arbeit und gegen das Billiglohnsystem. Darüber hinaus deckte Marikana die Krise der Arbeit und den Mythos von der fortschrittlichen Rolle der Gewerkschaften als Verfechterinnen der sozialen Gerechtigkeit auf. Marikana verdeutlichte den Bruch der Post-Apartheid-Sozialordnung und machte die Risse im Sozialpakt deutlich, der durch Kontinuitäten in den Regimen der Ausbeutung und Ungleichheit gekennzeichnet war.

Nach Marikana: Ein Wiederaufleben der Tradition unabhängiger Gewerkschaften?

In einem kapitalistischen Kontext organisieren die Arbeitgeber*innen die Produktion ständig neu, um die Produktivität zu verbessern und den Mehrwert zu maximieren. Dies kann eine Umstrukturierung der Arbeitsplätze beinhalten, um neue und effiziente Produktionsmethoden einzuführen. Die Zeit nach Marikana ist durch verschiedene Formen der Umstrukturierung des Kapitals gekennzeichnet, was sich auch auf die Gewerkschaftslandschaft ausgewirkt hat. Die Technologie strukturiert in jedem Kontext das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte, den Grad der Kontrolle über den Produktionsprozess, die relative Homogenität oder Differenzierung und die Arbeitsplatzsicherheit. Sie bringt auch unterschiedliche Arten von Gewerkschaften hervor.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass die Streiks in Marikana und die Entwicklungen danach zu erheblichen Veränderungen bei den Löhnen einiger Minenarbeiter*innen geführt haben. Ein Bericht des Daily Maverick, der sich auf 20 Jahre Längsschnittdaten des Mineral Council of South Africa und von STATS SA stützt, zeigt, dass die Reallöhne einiger Minenarbeiter*innen zwischen 2001 und 2020 erheblich gestiegen sind. Dem Bericht zufolge ist der Durchschnittslohn der Minenarbeiter*innen von 59.874 Rand (2001) auf 335.096 Rand (2020) angestiegen (Stoddard 2022). Dies ist ein bedeutender Wandel, der auf die zunehmende Militanz der Arbeiter*innen zurückzuführen ist und einen wichtigen Schritt zur Lösung des Problems der billigen Arbeitskräfte darstellt, das den Sektor von Anfang an geprägt hat. Diese Statistiken stellen zwar einen bedeutenden Meilenstein dar, vermitteln jedoch kein umfassendes Bild, da sie Arbeitnehmer*innen ausschließen, die von Subunternehmern und Arbeitsvermittler*innen über Dritte beschäftigt werden, die in den letzten Jahren zu wichtigen Akteuren in diesem Sektor geworden sind.

Die Gewerkschaften waren bei der Organisierung von Arbeitnehmer*innen in diesen neuen Arbeitsformen nicht sehr erfolgreich. Damit eine Gewerkschaft an Tarifverhandlungen teilnehmen kann, muss sie in einem bestimmten Sektor ausreichend vertreten sein. In vielen Sektoren erreichen die Gewerkschaften die Schwelle der ausreichenden Repräsentation nicht, was zu einer Krise führt, die viele Gremien der Tarifverhandlung bedroht. Dies ist zum Teil der Grund für die derzeitige nationale Krise bei den Tarifverhandlungen.

Die Zeit nach Marikana ist auch durch einen Rückgang des industriellen Modells der gewerkschaftlichen Organisation gekennzeichnet. Bei diesem Modell konzentriert sich eine Gewerkschaft auf die Organisierung von Arbeitnehmer*innen in einem bestimmten Sektor, zum Beispiel im Bergbau. Die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse hat zu einem intensiven gewerkschaftlichen Wettbewerb geführt und stellt das industrielle Gewerkschaftsmodell vor große Herausforderungen. Die Mehrheit der AMCU-Mitglieder ist von der NUM gewechselt. Dies zeigt, dass die Gewerkschaften in diesem Zusammenhang buchstäblich aus demselben Teich fischen und nur sehr wenig tun, um nicht organisierte Arbeitnehmer*innen zu organisieren, die inzwischen die Mehrheit bilden.

Mehrere Gewerkschaften in verschiedenen Sektoren, darunter auch COSATU-Mitgliedsorganisationen, haben das Modell der Industriegewerkschaft aufgegeben und drängen auf eine Erweiterung ihres Organisationsbereichs. Im Bergbau zum Beispiel hat die National Union of Metalworkers of South Africa (NUMSA) nach dem Aufstieg der AMCU und dem Niedergang der NUM ihren Organisationsbereich erweitert. Im öffentlichen Sektor haben Gewerkschaften wie National Education, Health and Allied Workers' Union (NEHAWU) und die South African Democratic Teachers Union (SADTU) ihren Tätigkeitsbereich über ihre traditionellen Sektoren hinaus ausgedehnt, was den Wettbewerb und die Rivalität verschärft hat. Dies spiegelt eine Verlagerung von Industrie- zu allgemeinen Gewerkschaften wider, die mit einer Verschärfung der gewerkschaftlichen Rivalität und des Wettbewerbs einhergeht.

Die Zeit nach Marikana war durch einige langwierige Streiks und Arbeitskonflikte in der Gesamtwirtschaft gekennzeichnet, die nicht ohne weiteres durch Tarifverhandlungen gelöst werden konnten. Im Platinsektor kam es 2014 zu dem erwähnten fünfmonatigen Streik, und erst kürzlich, im Jahr 2022, kam es in der Goldabteilung von Sibanye Stillwater zu einem Arbeitskampf, der ebenfalls fünf Monate dauerte. Im öffentlichen Sektor einigten sich die Gewerkschaften und der Staat im Rahmen von Tarifverhandlungen auf eine Lohnanpassung, die der Staat anschließend mit der Begründung mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit wieder zurücknahm. Die Gewerkschaften legten gegen diese Entscheidung zwar Berufung ein, was jedoch vom Verfassungsgericht abgewiesen wurde. Dies verdeutlicht in vielerlei Hinsicht die Krise und die Grenzen von Tarifverhandlungen als Mittel zur Institutionalisierung von Konflikten und zum Management der Arbeitsbeziehungen.

Was bleibt?

Das Massaker von Marikana markierte einen Wendepunkt für die südafrikanischen Gewerkschaften. Es stellte eine Herausforderung für das von den COSATU-Gewerkschaften vertretene Modell der Gewerkschaftsbewegung dar. Die sozioökonomischen Rahmenbedingungen nach der Apartheid sind durch den Druck gekennzeichnet, die Flexibilität des Arbeitsmarktes durch Gelegenheitsarbeit, Outsourcing, die Vergabe an Nachauftragnehmer*innen und eine allgemeine Externalisierung von Arbeit zu erhöhen. Die Arbeit ist prekärer geworden, da der Druck zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu einem Anstieg der Arbeitsplatzunsicherheit geführt hat. In fragmentierten und prekären Beschäftigungsverhältnissen ist es ungleich schwerer, die Arbeiterschaft zu organisieren. So ging diese Entwicklung einher mit einer Zunahme der Ungleichheit und der Schwächung der Gewerkschaftsbewegung.

Dies hat wiederum zu einer sozioökonomischen Krise der Arbeit geführt. Die Gewerkschaften stehen vor der Herausforderung, Arbeitnehmer*innen in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu organisieren. Marikana hat die Kluft zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitnehmer*innen aufgedeckt, was dazu geführt hat, dass die Gewerkschaften organisatorische Macht und in der Folge politischen Einfluss verloren haben. Die Zeit nach Marikana war durch eine Zersplitterung der Gewerkschaften und ernsthafte interne Auseinandersetzungen und Rivalitäten gekennzeichnet, weisen aber auch auf die Möglichkeit eines gewerkschaftlichen Wandels in Richtung Autonomie und Unabhängigkeit von politischen Bündnissen hin.

Der allgemeine Rückgang der Gewerkschaftsbewegung hat negative Auswirkungen auf den sozialen Dialog und die Arbeitsbeziehungen sowie auf die Politik im Allgemeinen, da die kollektive Stimme der Arbeitnehmer*innen gedämpft und geschwächt wird. Im südafrikanischen Kontext könnte dies diejenigen stärken, die auf eine größere Flexibilität des gesetzlichen Rahmens drängen, und die Regierung könnte davon überzeugt werden, die Arbeitsvorschriften langfristig zu lockern.

Die Gewerkschaften müssen akzeptieren, dass ihre politische und organisatorische Ausrichtung nicht in Stein gemeißelt, sondern fließend und dynamisch ist. Sie sollten daher eine umfassendere soziale Agenda verfolgen, die sich nicht auf ein politisches Bündnis und die Zusammenarbeit mit der regierenden oder wichtigsten politischen Partei beschränkt, sondern Arbeitsrechte als Menschenrechte versteht, um den organisatorischen und politischen Niedergang aufzuhalten. Marikana und die Entwicklungen nach der Katastrophe lehrt uns, dass Gewerkschaften, Tarifverhandlungen und andere Institutionen, über die Arbeitnehmer*innen Druck auf den Staat und die Arbeitgeber*innen ausüben könnten, mit einer Reihe von Spannungen und Einschränkungen behaftet sind, die sie als Mittel zum Schutz oder zur Stärkung der Arbeitnehmer*innenrechte und des allgemeineren gesellschaftlichen Interesses unwirksam machen.
 


  • Alexander, P. (2013): Marikana, turning point in South African history, in: Review of African Political Economy, 40 (138), S. 605-619.
  • Bezuidenhout, A. and Buhlungu, S. (2011): From Compounded to Fragmented Labour: Mineworkers and the Demise of Compounds in South Africa, in: Antipode, 43 (2), S. 237-263.
  • Chinguno, C. (2015): The unmaking and remaking of industrial relations: the case of Impala Platinum and the 2012–2013 platinum strike wave, in: Review of African Political Economy, 42 (146), S. 577-590.
  • Crush, J. (1989): Migrancy and Militancy: The Case of the National Union of Mineworkers of South Africa, in: African Affairs 88 (350), S. 5-23.
  • Marinovich, G. (2016): Murder at Small Koppie: The Real Story of South Africa's Marikana Massacre, Penguin Random House, South Africa.
  • Moodie, T. D. (2016): Making Mincemeat out of Mutton Eaters: Social Origins of the NUM Decline on Platinum, in: Journal of Southern African Studies, 42(5), S. 841-856.
  • Stoddard, Ed (2022): Mine workers have seen significant wage growth since Marikana, but social burdens undermine gains, in: Daily Maverick 24. July 2022.
  • Wolpe, H. (1972): Capitalism and Cheap Labour Power in South Africa: From Segregation to Apartheid, in: Economy and Society, 1(4), S. 425-456.