News | Arbeit / Gewerkschaften - Wirtschafts- / Sozialpolitik - Commons / Soziale Infrastruktur - Gesundheit und Pflege Das kranke System der Fallpauschalen

Warum Fallpauschalen (DRGs) abgeschafft werden müssen und wie Krankenhäuser richtig finanziert werden

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Thomas Böhm,

Im Jahr 2002 beschloss der Bundestag das Fallpauschalengesetz zur Finanzierung der Krankenhäuser, das 2004 – also vor 20 Jahren – in Kraft trat. 2024 kündigte Gesundheitsminister Lauterbach bei der Vorstellung seiner «großen» Krankenhausreform (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG) eine «Revolution» und die «Überwindung» der Fallpauschalen an. Nichts davon stimmt. Das Ganze ist ein Etikettenschwindel. Die Fallpauschalen, kurz DRGs, werden nicht abgeschafft, sondern nur um eine weitere Vergütungskomponente, die ebenfalls von der Anzahl der behandelten Patient*innen abhängt, ergänzt. Tatsächlich ist die Abschaffung der DRGs aber bitter nötig, um die Ökonomisierung und den Einfluss privaten Kapitals auf die Gesundheitsversorgung zurückzudrängen. Was sind DRGs? Wie wirken sie sich auf die Gesundheitsversorgung aus? Und wie kann eine andere Form der Finanzierung aussehen?

Was sind DRGs?

DRG (Diagnosis related Groups) sind Fallpauschalen. Sie stellen den durchschnittlichen Kostenaufwand für eine bestimmte Behandlung einer Person mit einer bestimmten Diagnose dar und sind damit die Grundlage für die Vergütung der Krankenhäuser mittels Preisen. Die deutschen DRGs wurden aus den australischen DRGs abgeleitet und weiterentwickelt. Dort wurden sie aber nicht flächendeckend für alle Behandlungen eingesetzt und zum überwiegenden Teil auch nicht als Preise, die die Vergütung der Krankenhäuser definieren, sondern nur als Methode, um den Leistungsumfang eines Krankenhauses zu ermitteln und um einen Anhaltspunkt dafür zu erhalten, welches Budget welchem Krankenhaus zugeteilt werden muss.

Bei der Einführung der DRGs im Jahr 2004 gab es 409 Fallgruppen, 2024 waren es 1.296.

Bei der Einführung der DRGs im Jahr 2004 gab es 409 Fallgruppen, 2024 waren es 1.296.  Dabei werden verschiedene Schweregrade unterschieden, die nach Nebendiagnosen, Komplikationen und dem Alter gewichtet werden.

Thomas Böhm war im Klinikum Stuttgart als Chirurg tätig, in dem er bis 2011 auch Personalratsvorsitzender war. Für ver.di war er Bezirksvorsitzender in Stuttgart und ist jetzt Mitglied im Landeskrankenhausauschuss der Landesregierung und im Verwaltungsrat des Klinikums Stuttgart. Er arbeitet aktiv im Bündnis «Krankenhaus statt Fabrik» mit und beschäftigt sich seit Jahren schwerpunktmäßig mit den Themen Krankenhausfinanzierung und Krankenhausplanung.

In die DRG-Kalkulation gehen nur die laufenden Kosten der stationären Behandlung ein, keine Vorhaltekosten und keine Investitionen. Das DRG-System gilt für alle voll- und teilstationären Leistungen – ausgenommen sind lediglich die Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik sowie ambulante Behandlungen.

Die jeweils anzuwendende DRG ergibt sich aus der Hauptdiagnose, allen Nebendiagnosen und Komplikationen (verschlüsselt nach dem internationalen Krankheitsartenschlüssel – ICD-Katalog) und der Verschlüsselung aller Prozeduren (Behandlungen), die an den Patient*innen ausgeführt werden (OPS-Katalog). Werden diese Parameter in ein EDV-Programm («Grouper») eingegeben, ermittelt es die zutreffende DRG inklusive Schweregrad. Die Vergütung für eine DRG gilt für die gesamte Behandlung, egal, wie lange sie dauert. Dabei ist für jede DRG eine «obere Grenzverweildauer» festgelegt. Liegt ein*e Patient*in länger, gibt es einen täglichen Zuschlag, der aber bei Weitem nicht kostendeckend ist.

Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung im Krankenhaus über Fallpauschalen macht die Verkürzung der Verweildauer zu einem lukrativen Steuerungselement.

Das heißt, dass die Finanzierung der Gesundheitsversorgung im Krankenhaus über Fallpauschalen die Verkürzung der Verweildauer zu einem lukrativen Steuerungselement macht: Je kürzer die Aufenthaltsdauer der Patient*innen im Krankenhaus ist, umso weniger Kosten entstehen und umso eher kann ein*e neue*r Patient*in aufgenommen, «bearbeitet» und abgerechnet werden. Es gibt für jede DRG auch eine «untere Grenzverweildauer». Wird diese unterschritten, erfolgen Abzüge. Ob diese «Bremse» greift, ist allerdings fraglich, weil die Möglichkeit, mehr Patient*innen zu behandeln, gegengerechnet werden muss.

Die Vergütung in Euro, die ein Krankenhaus für eine Person mit einer bestimmten DRG erhält, richtet sich nach dem (bundeseinheitlichen) sogenannten Relativgewicht (RG) der jeweiligen DRG, multipliziert mit dem sogenannten Landesbasisfallwert (LBFW) (Näheres siehe Kasten).