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Chinas neue Afrika-Politik

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Xu Jianping, Generaldirektor der Abteilung für regionale Öffnung der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission Chinas, spricht während der Eröffnungszeremonie der Fotoausstellung über die pragmatische chinesisch-afrikanische Zusammenarbeit im Rahmen der Belt and Road Initiative in Nairobi, Kenia, am 22. März 2024.
Xu Jianping, Generaldirektor der Abteilung für regionale Öffnung der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission Chinas, spricht während der Eröffnungszeremonie der Fotoausstellung über die pragmatische chinesisch-afrikanische Zusammenarbeit im Rahmen der Belt and Road Initiative in Nairobi, Kenia, am 22. März 2024.  Foto: IMAGO / Xinhua

Chinas wachsende Präsenz in Afrika erregt globale Aufmerksamkeit. Die chinesischen Handelsabkommen und Investitionen stellten die des Westens in den Schatten, weswegen US- und EU-Politiker*innen Alarm schlagen: Beijing beute, wie sie sagen, die Ressourcen des Kontinents aus, gefährde Arbeitsplätze und ermächtige Diktatoren, worüber politische Aspekte oder Fragen der Nachhaltigkeit aus dem Blickfeld gerieten. Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen in Afrika prangern dieselben Kritikpunkte an, betonen aber zugleich, dass westliche Länder schon lange in ähnliche Praktiken involviert seien. In der anglophonen Medienlandschaft wird in Bezug auf Chinas Zukunftsaussichten häufig von einem «Neuen Kalten Krieg» gesprochen und Xi Jinping als jemand dargestellt, der nach der Weltherrschaft strebe, woran ihn die zivilen Kräfte hindern müssten.

Doch wie würde eine nüchternere Analyse aussehen? Wie können wir Afrikas Rolle innerhalb dieser feindlichen, geopolitischen Matrix verstehen?

Die Folgen der Bandung-Konferenz

Das chinesische Interesse an Afrika ist – wie auch die westliche Besorgnis angesichts des Einflusses Beijings – keineswegs neu. Um die gegenwärtige Patt-Situation zu verstehen, müssen wir uns dessen Geschichte vergegenwärtigen.

Elizabeth Schmidt war bis zu ihrer Emeritierung Professorin für Geschichte an der Loyola University Maryland.

Im April 1955 kamen im indonesischen Bandung die Repräsentant*innen von 29 asiatischen und afrikanischen Staaten und Territorien zu einer wegweisenden Konferenz zusammen. Beschlossen wurde, dass die Länder des Globalen Südens durch die Förderung ökonomischer und kultureller Zusammenarbeit sowie durch Dekolonialisierung und nationale Befreiung ihre Unabhängigkeit vom kapitalistischen System erlangen sollten. In der Zeit nach dieser Konferenz war das chinesische Engagement in Afrika von der Solidarität mit diesem Anliegen geprägt. Von den frühen 1960er-Jahren bis in die Mitte der 1970er-Jahre förderte China Projekte der Entwicklungszusammenarbeit in Algerien, Ägypten, Ghana, Guinea, Mali, Tansania und Sambia durch Beihilfen und Darlehen mit niedrigem Zinssatz. Zusätzlich wurden Zehntausende «Barfußärzt*innen», Agrartechniker*innen und Arbeitersolidaritätsbrigaden in jene afrikanischen Länder gesandt, die sich dem Neokolonialismus widersetzten und vom Westen ausgegrenzt wurden.

Im südlichen Afrika, wo die weiße Minderheitenregierung in den Siedlergebieten fortbestand und Portugal sich den Forderungen nach Unabhängigkeit widersetzte, unterstützte Beijing die Befreiungsbewegungen in Mosambik und Rhodesien mit militärischer Ausbildung, taktischer Beratung und Waffen. Als westliche Länder die sambischen Bitten ignorierten, abtrünnige Regime wirksam zu isolieren, rief China die Tanzania Zambia Railway Authority ins Leben. Sie baute eine Eisenbahnstrecke, die es Sambia erlaubte, sein Kupfer durch Tansania zu exportieren anstatt durch das von Weißen regierte Rhodesien und Südafrika. In diesem Zeitraum wurde chinesische Politik hauptsächlich von politischen Imperativen bestimmt, da das Land inmitten der durch den Kalten Krieg geprägten globalen politischen Konstellation nach Verbündeten Ausschau hielt.

Von politischer Sympathie zum ökonomischen Nutzen

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion veränderten sich allerdings Chinas Prioritäten. Beijing reagierte auf die neue amerikanische Monopolstellung mit einem massiven Industrialisierungs- und Liberalisierungsprogramm, um zu vermeiden, dass China ein ähnliches Schicksal ereile wie andere kürzlich gescheitere kommunistische Staaten. Afrika wurde nun nicht mehr als ideologisches Versuchsgelände gesehen, sondern als Rohstoffquelle und Absatzmarkt für chinesische Produkte wie Kleidung oder Elektroartikel. Politische Sympathie wich ökonomischem Nutzen. Afrikanische Beziehungen wurden nach ihrem materiellen und strategischen Wert für die Entwicklungspläne der KP Chinas bemessen.

Seit dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hat China die USA überholt und ist zum größten Handelspartner Afrikas geworden. Seit kurzem ist China auch die viertgrößte direkte Auslandsinvestitionsquelle des Kontinents. Im Gegenzug für einen garantierten Zugang zu Energieressourcen, landwirtschaftliche Flächen und Materialien für Elektrogeräte und -fahrzeuge investierte Beijing Milliarden US-Dollars in afrikanische Infrastruktur: in den Bau und die Sanierung von Straßen, Eisenbahnen, Dämmen, Brücken, Häfen, Ölpipelines und Raffinerien, Kraftwerken, Wassersystemen und Telekommunikationsnetzwerken. Chinesische Unternehmen haben Krankenhäuser und Schulen errichtet, in die Kleidungs- und Lebensmittelindustrie investiert sowie in Landwirtschaft, Fischerei, Gewerbeimmobilien, Einzelhandel und Tourismus. Die jüngsten Investitionen fließen vorrangig in Kommunikationstechnologie und erneuerbare Energien.

Im Gegensatz zu den westlichen Mächten und den von ihnen dominierten internationalen Finanzinstitutionen hat Beijing nie eine politische und ökonomische Umstrukturierung zur Bedingung für seine Kredite, Investitionen, Hilfe oder den Handel gemacht. Genauso wenig sind daran Arbeits- oder Umweltschutzbedingungen geknüpft. Diese Politik ist bei afrikanischen Machthabenden beliebt, wird allerdings regelmäßig von zivilgesellschaftlichen Verbänden kritisiert, die monieren, dass chinesische Unternehmen afrikanische vom Markt verdrängen und bevorzugt chinesische statt einheimische Arbeitnehmer*innen einstellen. Wenn chinesische Unternehmen wiederum auf afrikanische Arbeitnehmer*innen zurückgreifen, seien diese gezwungen, bei Hungerlohn und unter riskanten Bedingungen zu arbeiten. Zudem haben die chinesischen Infrastrukturprojekte zu einer massiven Verschuldung geführt, wodurch Afrikas Abhängigkeit steigt, obschon die Verschuldung gegenüber dem Westen noch höher ist.

Verheerend ist jedoch insbesondere, dass sich Beijing den ungehinderten Zugang zu Märkten und Ressourcen durch die Unterstützung korrupter Eliten und die Stärkung von Regimes gesichert hat, die den Reichtum ihrer Länder ausbeuten, politische Meinungsvielfalt unterdrücken und Kriege mit Nachbarländern führen. Im Gegenzug hierfür gaben die afrikanischen Machthabenden China den dringend benötigten diplomatischen Beistand in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen.

Trend zu verstärktem Engagement

Jahrzehntelang war China gegen die politische und militärische Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Nationen. Aber mit den steigenden wirtschaftlichen Interessen an Afrika veränderte sich der Ansatz, wurde interventionistischer und schließt nunmehr Katastrophenhilfe, Anti-Piraterie und Maßnahmen gegen den Terrorismus ein. In den frühen 2000er-Jahren beteiligte sich China an UN-Friedensmissionen in Ländern und Regionen, mit denen es wirtschaftliche Interessen verband. 2006 übte das Land Druck auf den wichtigen Ölpartner Sudan aus, um einen von Afrikanischer Union und UNO gemeinsam geführten Einsatz in Darfur zu ermöglichen; 2013 schloss China sich der UN-Friedensmission in Mali an, motiviert durch das Interesse am Öl und Uran der benachbarten Länder. 2015 vermittelte Beijing schließlich, gemeinsam mit westlichen Kräften und ostafrikanischen subregionalen Organisationen, bei Friedensverhandlungen im Südsudan.

In dieser Zeit sah China zunächst von militärischer Beteiligung in Krisengebieten ab und steuerte stattdessen medizinisches Personal und Ingenieur*innen bei. Doch das blieb nicht lange so. Bei den Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Burundi und in der Zentralafrikanischen Republik zeigte China eine bemerkenswerte militärische Präsenz. Erstmals direkt beteiligt waren chinesische Kampftruppen an der UN-Friedensmission in Mali, flankiert von etwa 400 Ingenieur*innen, medizinischem Personal und Polizei. 2015 entsandte Beijing ein Infanteriebataillon mit 700 bewaffneten Blauhelmen in den Südsudan. Bereits im darauffolgenden Jahr steuerte China mehr militärisches Personal zu den friedenserhaltenden Maßnahmen der UNO bei als jedes andere ständige Mitglied des Weltsicherheitsrats.

Der Trend zu einem verstärkten politischen und militärischen Engagement Chinas in Afrika fand 2017 seinen bisherigen Höhepunkt, als das Land zusammen mit Frankreich, den USA, Italien und Japan eine militärische Basis in Dschibuti errichtete: den ersten dauerhaften militärischen chinesischen Stützpunkt außerhalb der Landesgrenzen. Strategisch platziert am Golf von Aden in der Nähe der Mündung des Roten Meeres, lässt sich vom Stützpunkt aus einer der weltweit lukrativsten Schifffahrtswege überblicken. Er erlaubt Beijing die Versorgung der an Anti-Piraterie-Operationen der Vereinten Nationen beteiligten Schiffe und den Schutz chinesischer Staatsbürger*innen, die in der Region leben. Zudem ermöglicht er die Überwachung des Handelsverkehrs an Chinas maritimer Seidenstraße des 21. Jahrhunderts, die Länder von Ozeanien bis zum Mittelmeer durch ein riesiges Produktions- und Handelsnetzwerk miteinander verbindet. So kann China zugleich seine eigene Ölversorgung sicherstellen, die zur Hälfte aus dem Mittleren Osten stammt: Vom Roten Meer aus wird das Öl über die Bab al-Mandeb-Meeresstraße bis zum Golf von Aden befördert. Über dieselbe Handelsroute gelangt auch der Großteil der chinesischen Exporte nach Europa.

Washington versus Beijing

Washington prangert den sogenannten chinesischen Imperialismus an. Gleichwohl ist sein eigener militärischer Fußabdruck mit 29 Stützpunkten in ressourcenreichen Regionen des Kontinents viel größer. Die USA erklären dem «bösen Imperialismus» den Kampf, warten aber gleichzeitig mit über 750 Stützpunkten in mindestens 80 Ländern auf – China hat drei. Die USA haben seit 1980 mindestens 15 Kriege im Ausland geführt – China hingegen einen –, und von den USA aufgebürdete Steuerregelungen, die auf Privatisierung, Deregulierung und Ausgabenkontrollen beruhen, haben afrikanische Staaten in tiefe finanzielle Abhängigkeiten getrieben. Während der US-amerikanische Sicherheitsapparat daran arbeitet, den Aufstieg Chinas zu begrenzen, und militärische Allianzen schmiedet – insbesondere mit jenen Regimen, die Investitionen von China erhalten haben –, gibt es zugleich eine wachsende Anzahl afrikanischer Staaten, die sich dieser katastrophalen Bilanz bewusst sind und sich weigern, im Neuen Kalten Krieg für eine Seite Partei zu ergreifen. Eher versuchen sie, beide Kontrahenten gegeneinander auszuspielen.

Tatsache ist, dass die Menschen des Kontinents keine Selbstbestimmung ausüben können, solange Afrika nur ein Mittel zum Zweck für rivalisierende Mächte ist, die mit lokalen Eliten zusammenarbeiten, um neue Märkte für sich zu erschließen und ihren Einfluss zu erweitern. Das Vermächtnis der Konferenz in Bandung scheint heute in Vergessenheit geraten zu sein.
 

Deutsche Erstveröffentlichung des Textes «Evil Empires?», der zuerst von der «New Left Review» publiziert wurde. Die Zwischenüberschriften wurden redaktionell eingefügt. Übersetzung aus dem Englischen von Nicola Tams & Smu für Gegensatz Translation Collective.