DossierGesundheit und Pflege – Prekär und umkämpft
Sechs Jahre nach dem ersten erfolgreichen Streik 2015 an der Charité für mehr Personal, erleben wir in Berlin erneut Proteste im Krankenhaus: Die landeseigenen Häuser Charité und Vivantes, die beiden größten Kliniken in Berlin, befinden sich wieder in Auseinandersetzung. Sie fordern Entlastung und mehr Personal in der Pflege sowie eine Entlohnung nach TVöD für alle.
Denn immer noch fehlt es an ausreichend Personal in den Krankenhäusern, sind Zeitdruck, Stress und Erschöpfung Alltag in der Pflege. Immer noch führt der Kostendruck durch das Finanzierungssystem nach Fallpauschalen in den Krankenhäusern zu Outsourcing, Tarifflucht und niedrigerer Entlohnung in ausgegliederten Tochterunternehmen (wie Labor, Reinigung oder Krankentransport).
Unzufriedenheit mit diesen Zuständen herrscht nicht nur in Berlin. Seit die Beschäftigten der Charité gezeigt haben, dass Streiken im Krankenhaus möglich ist, sind an zahlreichen anderen Häusern Kämpfe entstanden. Haus für Haus haben auch andere Belegschaften einen Tarifvertrag Entlastung erstritten. Diese Auseinandersetzungen um die Gesundheitsversorgung machen mehr als deutlich:
Ökonomisierung und Sparpolitik haben hier nichts zu suchen. Sie haben in den letzten Jahrzehnten nicht nur in den Krankenhäusern die Versorgungs- und die Arbeitsbedingungen unter Druck gesetzt. Auch in Pflegeheimen haben sich die Bedingungen für Beschäftigte wie Versorgte verschärft. Für Pflegende bedeutet dies nicht selten Burnout und Erschöpfung. Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen bleiben mit der Verantwortung allein. Das verschärft soziale Ungleichheit. Es verschärft aber auch die Abwertung von Sorgearbeit in unserer auf Profit und Wachstum ausgerichteten Ökonomie. Dass Kürzungen im Gesundheitsbereich Menschenleben kosten, ist in der Corona-Krise mehr als sichtbar geworden. Wer Personal abbaut, an Ausrüstung spart, Kapazitäten reduziert, gefährdet die Gesundheitsversorgung – in der Krise wie im Alltag.
Notwendig ist daher ein öffentliches und demokratisches, solidarisch finanziertes und geschlechtergerechtes Gesundheitssystem, in dem die Bedürfnisse der Menschen im Zentrum stehen. Die Auseinandersetzungen der Berliner Krankenhausbewegung für Entlastung und TVöD für alle streiten für diese Forderungen. Denn sie richten sich gegen ein Finanzierungssystem nach Fallpauschalen, gegen Ausgliederungen in Folge von Kostendruck und gegen ein Gesundheitssystem, das Profit und nicht die Sorge um Menschen ins Zentrum stellt. Kämpfe um Gesundheit sind daher auch Widerstand gegen die neoliberale Zurichtung der Menschen und der Gesellschaft.