Nachricht | Gründer, Hiery (Hg.): Die Deutschen und ihre Kolonien; Berlin 2022

Deutschland als Kolonialmacht

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Die koloniale Vergangenheit Deutschlands wird gegenwärtig immer wieder – und immer mehr – Gegenstand aktueller politscher und historiografischer Debatten. Dieses nun in dritter, überarbeiteter und erweiterter Auflage vorliegende Buch (die erste Auflage erschien 2017) bietet einen allgemeinverständlichen Überblick über die Entstehung, Ausdehnung und Entwicklung des gerade mal gut 30 Jahre, von 1884 bis 1918/19 existierenden deutschen Kolonialreiches. So war das deutsche Kolonialreich z.B. von der Fläche her sechsmal größer als das «Mutterland»; dieses führte aber wegen der Kolonien niemals Krieg gegen andere Kolonialmächte. Auch spielten die Kolonien im Ex- und Import des deutschen Reiches ökonomisch «nur eine marginale Rolle» (156), aus der Perspektive der Reichsfinanzen war «das Kolonialengagement ein reines Zuschuss-, um nicht zu sagen: Verlustgeschäft» (158). Vielfältige Folgen sollte es aber trotzdem haben – bis heute.

Die 16 Texte thematisieren die deutschen Kolonien in Afrika, Asien und der Südsee, deren wirtschaftliche Bilanz und den Revisionismus nach ihrem Verlust. Die daran sich anschließenden Beiträge haben den «kolonialen Alltag» zum Inhalt, indem etwa Verwaltung, Recht, Sexualität, militärische und religiöse Aspekte und auch die Bedeutung kolonialen Denkens in den kolonisierenden Ländern untersucht werden, etwa im Fortwirken kolonialer und rassistischer Topoi nach 1918, das dann wiederum Bedeutung z.B. in den Freikorps bekam. Die neu aufgenommenen Texte thematisieren dann den erinnerungskulturellen und musealen Umgang mit dem Kolonialismus: Hier berichtet Joachim Zellerüber verschiedene Kolonial-Denkmäler und über Versuche mittels einer zivilgesellschaftlich und antikolonial motivierten Erinnerungspolitik «von unten» aufzuklären und auch Kontrapunkte zu setzen. Hans-Martin Hinz referiert im Überblick die Debatte in Politik und Museen zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialem Kontext.

Das Buch ist eine interessante und unaufgeregte Zusammenstellung von soliden Texten zur deutschen Kolonialgeschichte von 1871 bis 1918/19, einem Thema, zu dem immer noch relativ großes Unwissen und damit Nachholbedarf besteht. Ein thematisch sortiertes Literaturverzeichnis, etliche Karten, Tabellen und Orts- und Namensverzeichnisse runden den mit 80 Abbildungen illustrierten Band ab.

Horst Gründer / Hermann Hiery (Hg.): Die Deutschen und ihre Kolonien; be.bra Verlag, Berlin 2022, 384 Seiten, 26 EUR

 

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