Nachricht | Arbeit / Gewerkschaften - Wirtschafts- / Sozialpolitik - Sozialökologischer Umbau Stahl ist Zukunft

Eine Konferenz der Stiftung stellte die Frage, wie die ökologische Transformation der Stahlindustrie auch sozial gelingen kann. Interview mit Heinz Bierbaum.

Information

Heinz Bierbaum, Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Foto: RLS

Treibhausgasemissionen durch Stahl betragen immerhin 7 Prozent der gesamten Emissionen in Deutschland. Gleichzeitig braucht es eben Stahl, um die sozialökologische Transformation überhaupt erst zu ermöglichen. Warum ist das ein Thema für die Rosa- Luxemburg-Stiftung?

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat im April eine gut besuchte Konferenz «Stahl ist Zukunft» in Salzgitter organisiert. Wir sprechen mit dem Vorsitzenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Heinz Bierbaum, über diese Konferenz und die Absichten dahinter. Das Gespräch führte Henning Obens.

Die Stahlindustrie selbst ist ja in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Es ist klar, dass mit der bisherigen Produktionsweise und den dadurch verursachten Emissionen Stahl hierzulande zukünftig nicht mehr produziert werden kann, wie überhaupt die Produktion auf der Basis fossiler Energien keine Zukunft mehr hat. Stahl stellt nach wie vor einen wichtigen Bereich der Industrie in Deutschland und Europa dar. Für die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist die ökologische Transformation in der Wirtschaft und besonders in der Industrie ein zentrales Thema. Dazu gehört eben auch der Transformationsprozess in der Stahlindustrie.

Was bedeutet denn eigentlich «grüner Stahl»?

Grüner Stahl bedeutet eine Stahlproduktion ohne CO2-Emissionen. Daher muss die Produktion umgestellt werden, nicht mehr auf die traditionelle Weise mit Koks in den Hochöfen, sondern mit einer Technologie auf der Basis von Wasserstoff. Allerdings muss dieser Wasserstoff, der in großen Mengen gebraucht wird, selbst mit erneuerbaren Energien produziert werden. Wasserstoff, der aus fossilen Energien stammt, nützt uns da gar nichts. Das ist sicherlich ein zentrales Problem. Praktisch die gesamte Stahlindustrie in Deutschland und auch in Europa befindet sich in diesem Prozess der Umstellung. Die Prozesse in Salzgitter, wo wir die Konferenz gemacht haben, sind relativ weit fortgeschritten. Wir haben aber auch ganz ähnliche Prozesse in der saarländischen Stahlindustrie Stahlindustrie, bei ThyssenKrupp oder bei ArcelorMittal in Bremen und Eisenhüttenstadt.

Wie ist denn der Stand dieser Transformation hin zur nachhaltigeren Produktion?

Trotz durchaus beachtlicher Fortschritte stehen wir immer noch am Anfang. Es braucht Zeit und vor allem auch sehr viel Geld. Ohne öffentliche Unterstützung sind diese Transformationsprozesse nicht zu realisieren. Dies wir auch gewährt – trotz der Haushaltsprobleme.  Wenn öffentliche Gelder eingesetzt werden, dann muss auch die Öffentlichkeit selbst, sprich die Regionen, und auch die Beschäftigten Einfluss auf die Unternehmenspolitik haben.

In Gewerkschaften wird ja dieser ganze Prozess mit dem Begriff «Just Transition» beschrieben. Was muss man darunter verstehen?

«Just Transition» heißt eigentlich nichts anderes als gerechter Übergang und ist schon sehr frühzeitig insbesondere vom internationalen Gewerkschaftsbund in die Debatte eingebracht worden mit der Zielsetzung, bei der notwendigen ökologischen Umstellung die sozial Belange mit zu berücksichtigen und damit die Beschäftigten einzubeziehen. Das heißt, die notwendige ökologische Transformation soll nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen, sondern soziale und ökologische Erfordernisse sollen miteinander verbunden werden. Das ist inzwischen ein Konzept, was vom internationalen Gewerkschaftsbund, vom europäischen Gewerkschaftsbund und auch von unseren Gewerkschaften hier in Deutschland verfolgt wird.

Jetzt gibt es die Kritik, dass sich dabei soziale Erfordernisse nicht immer mit der ökologisch notwendigen Reduktion von Emissionen vereinbaren lassen. Was denkst du dazu?

Ich glaube, dass gerade der Prozess der Transformation in der Stahlindustrie genau die beiden Erfordernisse ökologische Umstellung und soziale Absicherung miteinander verbindet und keines zu Lasten des anderen geht. Dafür ist Salzgitter ein sehr gutes Beispiel, weil die Beschäftigten dort sind in diesen Prozess einbezogen sind. Sie fürchten auch nicht um ihre Arbeitsplätze, sondern sind sicher, dass die notwendige ökologische Umstellung auch sozial gelingt.

Und jetzt ist es ja in einigen gewerkschaftlichen Kämpfen und Auseinandersetzungen der letzten Zeit schon gelungen, auch Klimabewegungen und Gewerkschaften näher zusammenzubringen. Im Bereich der Metallproduktion ist das ja nicht so einfach, die Interessengegensätze zwischen Gewerkschaften und Klimabewegung sind sichtbarer. Wie können hier trotzdem Allianzen entstehen?

Es ist richtig, dass es oft in der Industrie nicht ganz einfach ist. Bei den öffentlichen Dienstleistungen wie etwa beim ÖPNV sind wir da schon weiter. So gab es in der letzten Tarifrunde eine Zusammenarbeit von ver,di und Fridays for Future. Dies ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Klimabewegung. Noch handelt es sich um erste, allerdings vielversprechende Anfänge. Diese Kooperation muss aus meiner Sicht verstärkt werden und ist gerade auch für die industriellen Bereiche notwendig. Aber auch hier gibt es etwa in Teilen der Autoindustrie erste Anfänge. Für uns als Stiftung sind diese Prozesse sehr wichtig. Wir untersuchen und begleiten sie. Wir wollen den Dialog zwischen Gewerkschaften und Klimabewegung befördern. Gerade an Hand solcher konkreten Prozesse wie in Salzgitter kann illustriert werden, wie das gehen kann und wie das auch gehen muss.

Was gab es denn auf der Konferenz für Kontroversen? Wie geht es weiter in der Debatte um «Grünen Stahl»?

Die Debatte hat sehr deutlich gemacht, dass diese betrieblichen Transformationsprozesse eingebettet werden müssen in industriepolitische Konzepte, insbesondere in regionale strukturpolitische Konzepte. Salzgitter ist dafür ein gutes Bespiel, weil der Unternehmensprozess mit regionalpolitischen Initiativen in der Region Südost-Niedersachen verbunden ist. Das heißt, wir haben eine Verbindung zwischen Regionalpolitik und der betrieblichen Politik. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt. Gerade weil Transformationsprozessse immer auch Arbeitsplatzabbau zur Folge haben können und dies oft genug auch haben, ist es notwendig, betriebliche Transformation mit Industriepolitik und regionaler Strukturpolitik zu verbinden. Es war auch ein wesentliches Ergebnis der Konferenz, dass wir daran weiterarbeiten müssen, und zwar nicht nur auf der deutschen Ebene, sondern auch auf der europäischen Ebene. In der Konferenz waren ja Vertreter aus Europa da, von Stahlwerken in Belgien, aus Frankreich, der Verantwortliche für Stahl der italienischen Metallgewerkschaft FIOM. Dies wird weiterhin ein wesentliches Feld unserer Stiftungsarbeit bleiben.