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Labour gewinnt haushoch, aber wie links ist die Partei noch unter Keir Starmer?

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Johanna Bussemer,

Labour-Chef Keir Starmer wird nächster Premierminister Großbritanniens. Mit seinem soft neoliberalen Mitte-Kurs hat er eine satte Parlamentsmehrheit gewonnen. Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire

Nur 29 Minuten musste Jeremy Corbyn warten. Dieser Zeitraum lag zwischen seiner Ankündigung, als unabhängiger Kandidat in North-Islington anzutreten, und seinem Rauschmiss aus der Labour Partei, der er 59 Jahre lang angehörte. Nun hat der linke Rebell es seiner ehemaligen Partei nochmal gezeigt. Mit etwa 8.000 Stimmen Vorsprung hat er seinen Wahlkreis Islington-North, den er seit 1983 im Parlament vertritt, vor dem Labour-Kandidatin Praful Nargund gewonnen.

Johanna Bussemer leitet das Europa-Referat der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Neben Corbyn haben sich mehrere weitere linke unabhängige Kandidat*innen durchgesetzt. Vier von ihnen gelten weithin als «Gaza-Candidates», weil sie insbesondere in migrantisch geprägten Communities dem pro-israelischen Kurs Keir Starmers Protest und Kampagnen gegen Waffenlieferungen entgegensetzten. Diese Einzelfälle sprechen aber noch nicht für ein breites linkes Wahlverhalten. Keir Starmer hat mit seinem Mitte-Kurs die Wahlen eindeutig gewonnen. Ganz so klar, wie sich das Ergebnis bei einem Zuwachs von um die 214 Kandidat*innen und einer Parlaments-Mehrheit von 412 Abgeordneten zunächst liest, ist die Situation jedoch nicht. Zwar haben die Tories eindeutig verloren – etwa 251 Abgeordnete, darunter z.B. auch die ehemalige Premierministerin Liz Truss – und verbleiben nur noch mit rund 121 Abgeordneten im Parlament, aber die Landkarte der Ergebnisse in UK ist insgesamt bunter geworden.

So haben neben den erwähnten unabhängigen Kandidt*innen auch die Liberalen und die Grünen Erfolge erzielt. Die Grünen, lange Zeit nur durch Carolin Lucas aus Brigthon im Parlament vertreten, ziehen mit nun 4 Abgeordneten ein und die Liberalen (LibDems) vergrößern ihre Fraktion von 8 auf gar 73 Mandate.

In Nord-Irland gewinnt Sinn Fein sieben Wahlkreise und gilt damit als Wahlsiegerin in der Region. Überraschend schlecht hat jedoch die Scottish National Party abgeschlossen, die in 37 Wahlkreisen verliert und nur noch mit 9 Angeordneten vertreten sein wird.

Erschreckend ist die Zustimmung zur rechtspopulistischen Partei «Reform UK» um Nigel Farrage, die in einigen Wahlkreisen zweitstärkste Kraft wurde. Mit vier Abgeordneten, von denen sich zwei offen faschistisch gebärden, wird die extreme Rechte im Parlament vertreten sein.

Dank des insgesamt guten Abschneidens der Labour Partei wird auch die Labour-Linke, organisiert in der sogenannten Socialist Campaign Group wieder im Parlament vertreten sein. Dank seiner großen Mehrheit wird Keir Starmer kaum auf eine Zusammenarbeit angewiesen sein, aber die Linke wird vom ersten Tag an seinen soft-neoliberalen Kurs angreifen. Rückenwind bekommt sie von den linken sozialen Bewegungen und Gewerkschaften und bestimmt wird sich auch Jeremy Corbyn aus Islington North deutlich zu Wort melden.

Dies wird auch dringend nötig sein, denn insgesamt ist Großbritannien mit der Wahl in die Mitte, aber sicher nicht nach links gerutscht.