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Die politische Krise und der Aufstieg der Rechten

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Ecuadors Präsident Daniel Noboa nutzt die Übergabe neuer Gewehre an eine Polizeieinheit für einen Auftritt (6.8.2024 in Durán). Noboa vertritt eine Politik, die soziale Krisen vor allem mit autoritären und sicherheitspolitischen Maßnahmen zu beantworten versucht. Foto: IMAGO / Agencia Prensa-Independiente

Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts hat Ecuador die internationale Linke mit Ideen beflügelt, die in der 2008 mit überwältigender Mehrheit angenommenen Verfassung verankert wurden. So war es eines der ersten Länder, das die Natur als Rechtssubjekt mit einem Recht auf Existenz, Erhalt und Regeneration anerkannte. Ebenso schrieb es den Grundsatz des «guten Lebens» (Buen Vivir) als Grundlage fest, auf der die soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Zukunft des Landes im Sinne des Sozialismus des 21. Jahrhunderts als neues gesellschaftliches System aufgebaut werden sollte.

Martha Moncada Paredes ist eine unabhängige Forscherin, Umweltschützerin und Feministin.

Seitdem hat Ecuador mehr Rückschläge als positive Veränderungen, mehr Misserfolge als Erfolge erlebt. Heute macht das Land aufgrund der kritischen Sicherheitslage, der alltäglichen Gewalt und der zunehmenden Auswanderungszahlen – allein von Januar 2022 bis September 2023 verließen mehr als eine halbe Million Ecuadorianer*innen das Land – weltweit Schlagzeilen. Um die Rückschläge zu verstehen, die Ecuador erlebt hat, versuche ich hier eine Interpretation in vier Akten.

Erster Akt: Die Illusion des Wandels und die Erneuerung des Staates

Wie lässt sich das allmähliche Erstarken der Rechten erklären, nachdem Ecuador ein Jahrzehnt (2007–2017) von einer der international anerkanntesten progressiven Regierungen geführt wurde? Die Antwort ist nicht einfach. Der Regierung Rafael Correas, die sich den Sozialismus des 21. Jahrhunderts auf die Fahnen schrieb, gelang es zwar, den Inlandskonsum zu steigern, Sozialleistungen zu erhöhen und die Armut im Land zu lindern. Diese Entwicklung war allerdings nur in einer Phase hoher Preise für Erdöl und andere Exportgüter sowie des Rohstoffbooms möglich. In den letzten Regierungsjahren Correas flachte die Konjunktur merklich ab, was mit dem internationalen Preisverfall relevanter Rohstoffe zusammenfiel.

Bedauerlicherweise führten die Reformen der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen des Landes weder zu Wirtschaftswachstum noch zu allgemeinem Wohlstand. Denn die Regierung Correa hatte es versäumt, die tief gespaltene Gesellschaft, die Ecuador zu einem der Länder mit der größten sozialen Ungleichheit in der Region macht, von Grund auf zu verändern. So kam beispielsweise die Verringerung der Einkommensungleichheit ab 2014 zum Stillstand, und der politische Wille zur Förderung der Umverteilung von Land oder Wasser fehlte völlig. Vielmehr verstärkten sich die Konzentrationstendenzen immer mehr. Das bestätigt auch der Gini-Index zur Verteilung von Land, der die soziale Ungleichheit misst und von 0,78 im Jahr 2007 auf 0,80 im Jahr 2017 anstieg.

In der Überzeugung, dass die Schwierigkeiten Ecuadors nur durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes überwunden werden könnten, investierte Rafael Correa nicht nur in den öffentlichen Ausbau von Straßen, Häfen, Flughäfen und Wasserkraftwerken, sondern trieb auch die Ausweitung der Erdölindustrie, des Bergbaus und der Agrarindustrie voran. Bei diesen Modernisierungsaktivitäten gab es immer wieder Hinweise auf Korruption. Diese wurden durch die großen Medienkonzerne und mächtige Interessensgruppen aus der Wirtschaft, die sich grundsätzlich gegen jede Maßnahme zur Sicherung der Rechte der Mehrheitsgesellschaft sperren, immer wieder aufgebauscht, um die Glaubwürdigkeit der Regierung Correa zu untergraben.

In der Folge wurden Stimmen, die sich gegen das Handeln der Regierung aussprachen, zum Ziel autoritärer Machtdemonstrationen seitens der Regierung. Diese äußerten in besonderer Härte in der Verfolgung und Kriminalisierung führender Vertreter*innen der Indigenen Bewegung, die die Ausweitung der Öl- und Bergbaugebiete in Frage stellten. Im Jahr 2013 meldeten Vertreter*innen der Indigenen Bewegung 189 Anklagen wegen Sabotage und Terrorismus; Menschenrechtsorganisationen sprechen sogar von über 200 Fällen.

Korruption, Autoritarismus, die Vorherrschaft konservativer Vorstellungen von Familie und Frauenrechten und die Distanzierung von sozialen Organisationen stehen im Gegensatz zu den Positionen der Correa-Regierung auf dem internationalen Parkett. Hier setzte man auf regionale Integration, auf den Schutz vor Einmischung der USA in die nationale Politik, teilweise auch mit medienwirksamen Aktionen wie der Gewährung politischen Asyls für Julian Assange. Im Rahmen ihres internationalen Engagements bediente sich die Regierung Correa zudem in einem kolonialen Gestus bestimmter Begriffe und Konzepte, die im Kontext der real praktizierten Politik letztlich ihre eigentliche Bedeutung verloren; so beispielsweise das Konzept des guten Lebens (Buen Vivir), das von Indigenen der Region entwickelt wurde.

Diese weder dialogbereite noch am Aufbau einer breiten politischen Bewegung interessierte Regierung mit ihren Licht- und Schattenseiten unterstützte nun die Kandidatur ihres engen Vertrauten Lenín Moreno, der beinahe das gesamte Regierungsjahrzehnt Correas die Vizepräsidentschaft innegehabt hatte. Morenos Wahl zum Präsidenten mit knapper Stimmenmehrheit (51,16 Prozent) zeigte den Willen der ecuadorianischen Bevölkerung, die sogenannte Bürgerrevolution (Revolución Ciudadana) weiterhin zu unterstützen.

Zweiter Akt: Die Rechte kehrt zurück auf die politische Bühne

Die Entscheidung für die wenig proaktive Figur Moreno scheint Teil der Strategie gewesen zu sein, die Regierungsmacht im Correa-Lager zu halten. Dieses Szenario scheiterte jedoch sowohl aufgrund interner Streitigkeiten, die Correa als Verrat bezeichnete, als auch aufgrund der beginnenden Haushaltskrise und einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses, die Banken und Industrie mehr Entscheidungsgewalt über den Export von Agrargütern verschaffte. Verlierer dieser Verschiebung waren der Importsektor und die auf den Ausbau des Binnenmarkts angewiesenen Unternehmen, die der Regierung Correa nahestehen.

Die Regierung Moreno schlug einen neuen Kurs ein, der durch strikte fiskalische Sparmaßnahmen und eine zunehmend auf Großunternehmen ausgerichtete Wirtschaftspolitik gekennzeichnet war. Sie schöpfte aus dem neoliberalen Repertoire und leistete den vom Internationalen Währungsfonds vorgegebenen Maßnahmen Folge. Einer der aufschlussreichsten Belege dieses Wandels war die vorzeitige Bedienung der Auslandsschulden Ecuadors in der ersten Welle der Covid-19-Pandemie im April 2020.

Die breite Ablehnung des neoliberalen Kurses der Regierung Moreno und insbesondere seines Vorhabens, die Kraftstoffsubventionen abzuschaffen, führte im Oktober 2019 zu sozialen Unruhen, die das Land für 13 Tage lahmlegten. Der Aufruf der Konföderation Indigener Nationen Ecuadors (CONAIE) und der Bauernverbände stieß in der verarmten Stadtbevölkerung, bei prekarisierten Arbeiter*innen, Studierenden, Frauen, jungen Menschen und Kleinhändler*innen auf positive Resonanz. Es entstand eine Keimzelle für einen alternativen Diskurs und für Widerstandsformen, um die erkämpften Rechte der Bevölkerung zu verteidigen und die Stimme gegen die von den Machthabenden ausgehende «Nekropolitik der Ausbeutung» zu erheben, wie es Achille Mbembe formulierte.

Wie lässt sich angesichts dieses Szenarios in Ecuador erklären, dass bei den Wahlen 2021 mit dem Banker Guillermo Lasso ein direkter Vertreter der mächtigen Kasten den Kandidaten des Correa-Lagers um fünf Prozentpunkte übertraf?

Lassos Sieg steht beispielhaft für den Rechtsruck in der ecuadorianischen Gesellschaft, der sich aus rassistischen Ressentiments und der tiefen Angst der Bevölkerung nährt, dass die Rückkehr des «Correismus» für Ecuador zu einer vergleichbaren Krise wie in Venezuela führen würde.

Zu den bemerkenswertesten Marksteinen, die in der Vertiefung rechter politischer Positionen mündeten, zählten die Gefängnismassaker 2021/22. Die Unruhen forderten mehr als 400 Todesopfer und führten zu einer Eskalation der Gewalt in mehreren Städten des Landes. Ein weiterer Aspekt war die Einwanderung aus Venezuela, die als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen wurde. Und schließlich kam es zu einer immer offeneren Ablehnung der Proteste durch die Eliten des Landes aufgrund der zentralen Rolle der Indigenen Bewegung, insbesondere während des erneuten landesweiten Aufstands im Juni 2022. Der Protest dauerte 17 Tage an und wandte sich gegen die jüngsten von Lasso angekündigten Neuerungen, den Rückzug des Staates und die Veräußerung von Staatseigentum in Form von Privatisierungen.

Obwohl die Ineffizienz und der Legitimitätsverlust Lassos seine Regierungszeit (2021–2023) vorzeitig beendeten, zeigt seine Präsidentschaft – zusammen mit dem anschließenden Sieg Daniel Noboas – das Bestreben der finanzstarken Eliten, den Staat wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Hinter diesem Interesse steht das Ziel, die eigene wirtschaftliche und politische Macht durch Vergrößerung der Extraktionsgebiete, Prekarisierung weiter Teile der Gesellschaft und Ausweitung weiterer wirtschaftlicher Aktivitäten, die vermutlich mit illegalen Wirtschaftssektoren in Verbindung stehen, zu verstetigen.

Die exponentielle Zunahme von Schwarzgeld in der legalen Wirtschaft, das nach Schätzungen des CELAG von 1,2 Milliarden US-Dollar im Zeitraum 2007–2016 auf 3,5 Milliarden Dollar im Jahr 2021 anstieg, ging mit exorbitanten Profitraten der Banken einher. Die Internationalisierung des Drogenhandels führte dazu, dass sich ein Großteil der Kokainproduktion nach Ecuador verlagerte und die Geldwäsche der Gewinne aus dem Drogenhandel (die von einer dollarbasierten Wirtschaft begünstigt wird) massiv zugenommen hat. Ecuador wurde zu einem zentralen Umschlagplatz für Drogen auf dem Exportweg in die USA und nach Europa. Die einzige Antwort auf die Rolle Ecuadors im Drogengeschäft und die damit einhergehende Zunahme von Gewalt war die Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen und staatlicher Kontrolle.

Dritter Akt: Sicherheitswahn und Abbau des Staates

Bevor Daniel Noboa Präsident wurde, hatte er leitende Positionen in Unternehmen der familieneigenen Noboa-Gruppe inne, deren Erfolg mit der ausbeuterischen Bewirtschaftung von Bananenplantagen an der Küste Ecuadors begonnen hatte. Daneben konnte er einen wenig folgenreichen Ausflug in die Nationalversammlung vorweisen. Sein Aufstieg lässt sich nur durch das vollmundige Versprechen erklären, er werde die politische Polarisierung Ecuadors zwischen Correismus und Anti-Correismus überwinden. Dies sollte durch einen neuen, unkonventionellen Regierungsstil (kurze und heftige staatliche Interventionen, effektive Nutzung sozialer Medien) geschehen. Angesichts der eskalierenden Gewalt, die in der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio kulminierte, versprach er außerdem, für Sicherheit zu sorgen.

Zu Beginn von Noboas Amtszeit war Ecuador das unsicherste Land Lateinamerikas mit insgesamt 8.008 Tötungsdelikten im Jahr 2023; das entspricht 47 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohner*innen. Insbesondere Frauen, Mädchen und Jugendliche fallen dieser unfassbaren Welle der Gewalt zum Opfer. Laut Statistik wird alle 27 Stunden eine Frau Opfer eines Femizids, und die Anzahl der Tötungsdelikte an Mädchen, Kindern und Jugendlichen ist laut UNICEF in den vier Jahren von 2019 bis 2023 um 640 Prozent gestiegen. Zusätzlich sind deutlich mehr Erpressungen und Entführungen zu verzeichnen.

Um diese Problematik anzugehen, traf Noboa eine ungewöhnliche und in der jüngeren Geschichte bislang einmalige Entscheidung: Er erklärte den Kriminellen den Krieg. Seine Erklärung, Ecuador befinde sich in einem internen bewaffneten Konflikt, hatte dreierlei Konsequenzen: die Militarisierung der Gesellschaft, die Ausrufung des Ausnahmezustands (mit über 28 Ausnahmezuständen seit 2017 scheint dies gewissermaßen Normalität geworden zu sein) und die Einstufung krimineller Banden als terroristische Gruppen, was sich unterschiedslos auf soziale Akteure, Aktivist*innen und Oppositionelle ausdehnen ließ.

Mit großer Verblüffung wurde die Welt Anfang April dieses Jahres Zeuge einer Aktion, die den Autoritarismus der aktuellen Regierung gänzlich zum Vorschein brachte: Der Präsident Ecuadors beschloss nämlich, die mexikanische Botschaft in Quito stürmen zu lassen, um Jorge Glas, den ehemaligen Vizepräsidenten unter Correa und Moreno, der dort politisches Asyl gefunden hatte, zu entführen. Es handelte sich um eine beispiellose Aktion, die die internationalen Normen der Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen brach und das Asylrecht missachtete.

Es folgten der Beschluss Mexikos, sämtliche diplomatischen Beziehungen mit Ecuador abzubrechen, die Verurteilung des Überfalls auf die mexikanische Botschaft durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die Einreichung einer Klage gegen Ecuador vor dem Internationalen Gerichtshof durch die mexikanische Regierung. Diese und weitere mögliche Konsequenzen, wie der Ausschluss Ecuadors aus der UNO, wurden von der Regierung heruntergespielt, was Anlass zur Sorge gibt. Noch schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass Noboa bisher nicht nur jede internationale Entschuldigung ablehnt, sondern auch auf der Rechtmäßigkeit der Aktion beharrt.

Die Stürmung der mexikanischen Botschaft hat die Überheblichkeit, Arroganz und den Autoritarismus von Noboas Regierungsstil offenbart. Diese Haltung kommt nicht von ungefähr. Der Präsident stammt selbst aus einer der reichsten Familien des Landes, und historisch gesehen haben die ecuadorianischen Eliten sich stets ausgezeichnet durch fehlende Dialogbereitschaft, die Weigerung, Sozialpakte zu schließen, eine offene Verachtung für ärmere und rassistisch diskriminierte Bevölkerungsschichten, mangelnde Bekenntnisse zu demokratischen Grundsätzen und eine feindselige Haltung gegenüber der Öffentlichkeit. Dies manifestiert sich in politischen Entscheidungen, die zu einer systematischen Schwächung des Staates und bestehender demokratischer Institutionen führen.

Der Aufstieg der autoritären Rechten in Ecuador weist bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit Nayib Bukele in El Salvador, Javier Milei in Argentinien und dem möglichen Wahlsieg Donald Trumps in den USA auf. Die Parallelen lassen vermuten, dass die Unsicherheit in der Bevölkerung zum Nährboden für Vorstellungen geworden ist, die autoritäre und sicherheitspolitische Lösungen als die einzig mögliche Antwort auf die soziale, politische und kriminalitätsbedingte Krise ansehen. Im Fall Ecuadors fällt zusätzlich auf, dass die Konsolidierung der autoritären Rechten an der Macht auch als Strategie gewertet werden kann, mögliche neue Formen des sozialen Kampfes und des Widerstands, wie die Aufstände von 2019 und 2022, im Keim zu ersticken.

Der Ausbruch sozialer Proteste bereitet der aktuellen Regierung große Sorgen, zumal die Maßnahmen, die sie im Rahmen ihrer Sicherheitspolitik angesichts des bewaffneten inneren Konflikts und insbesondere angesichts der Wirtschaftskrise ergriffen hat, den Großteil der Bevölkerung hart treffen. Der strenge fiskalische Sparkurs und die exorbitante Neuverschuldung (2023 lag die Staatsverschuldung Ecuadors bei über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) könnten das Land sogar in Zahlungsverzug bringen. Dieser unbeständige Führungsstil ohne klare politische Strategie für das Land hat sich, neben der Hinwendung zu einer korporatistischen Politik im Sinne von Privatinteressen der Staatsbediensteten, etabliert.

Um die Sicherheitspolitik der Regierung zu bekräftigen und seine Chancen für eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2025 auszuloten, ließ Noboa am 21. Mai 2024 ein Referendum abhalten. Das Ergebnis fiel bei neun von elf Fragen, die sich auf die Verstärkung von Sicherheitsmaßnahmen bezogen, zu Gunsten der Regierung aus. Trotz des kritischen Inhalts der Beschlüsse des Referendums wurde deren Tragweite von den politischen Parteien und Fraktionen innerhalb der Nationalversammlung, die sich als Opposition bezeichnen, weder diskutiert noch kritisch hinterfragt. Fraktionen wie das Correa-Lager stellten damit ihre Unterstützung der aktuellen Sicherheitspolitik unter Beweis. Die kürzlich erfolgte Umbenennung des Ministeriums für Frauen und Menschenrechte in Ministerium für Kriminalitätsbekämpfung und Menschenrechte ist ein weiteres Signal für die Instrumentalisierung der Gleichstellungspolitik im Sine der autoritären Agenda der derzeitigen Regierung.

Dennoch gelang es einzelnen vom hegemonialen Diskurs abweichenden Stimmen, zwei zentrale Projekte der Rechten zu vereiteln, die offenkundig eine noch größere Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse zur Folge gehabt und Ecuador mit Sicherheit erneut vor den Internationalen Gerichtshof gebracht hätten. Die mehrheitlich abgelehnten Referendumsfragen – zusammen mit dem im Februar 2023 getroffenen Beschluss, die Erdölförderung im Nationalpark Yasuní zu stoppen und den Bergbau im Chocó Andino nicht auszubauen – sind das Ergebnis von Kampf und Widerstand. In diesem Kampf spielt die CONAIE neben Umweltorganisationen, sozialen Bewegungen, Universitätskreisen und verschiedenen anderen linken Gruppen eine zentrale Rolle.

Vierter Akt: Der steinige Weg zur Einheit der Linken

Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahl im Februar 2025 und der Verschärfung der neoliberalen Agenda drängen unterschiedliche Kräfte der Linken auf die Bildung eines breiten Bündnisses, das auch «progressive» Positionen einbezieht, da dies der einzige Weg sein könnte, die Verschlechterung der derzeitigen Situation und die Verschärfung der zahlreichen Krisen, die das Land durchlebt, zu bremsen. Auch wenn dies auf Hindernisse treffen wird, ist es ein wichtiger Anfang.

Welche Akteure könnten Teil dieses Linksbündnisses sein? Es ist unklar, ob sich auch das Correa-Lager einer solchen breiten Allianz anschließen wird. Obwohl Correas Partei unter den drei letzten Regierungen von Moreno, Lasso und Noboa stets mit einer starken Fraktion in der Nationalversammlung vertreten war, blieb ihre Position zumindest zweideutig, da sie immer wieder die Verabschiedung von Gesetzen erleichterte, die den Rechten der Bevölkerungsmehrheit entgegenstanden. So geschehen beim sogenannten Gesetz zur Humanitären Unterstützung (Ley de Apoyo Humanitario), das die einvernehmliche und sofortige Beendigung von Arbeitsverträgen ermöglicht, sowie bei den letzten fünf erlassenen Gesetzen, die unter anderem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 12 Prozent auf 15 Prozent und die fünfte steuerliche Erleichterung für die großen Konzerne des Landes in den letzten fünf Jahren beinhalteten.

Abgesehen von der Unterstützung neoliberaler Gesetzentwürfe hat das Correa-Lager wenig Bereitschaft gezeigt, eine Einigung zu erzielen. Für Correas Getreue ist die Tatsache, dass sie etwa 25–30 Prozent der Wählerschaft auf sich vereinen können (gemäß dem Stimmenanteil bei den letzten drei Präsidentschaftswahlen), ein Argument dafür, dass sich andere Gruppen der Partei anschließen sollten, statt eine gemeinsame Agenda auszuarbeiten. Die geringe Bereitschaft, sich mit anderen Teilen der Linken zu arrangieren, und die Tatsache, dass der Correismus ohne Bündnisse nicht die Präsidentschaft stellen kann, lässt sich auch als politische Strategie zum Machterhalt in der Legislative werten, die gleichzeitig ihren Anführer*innen, inklusive Rafael Correa selbst, eine Bühne sichert.

Die politische Alternative, die Correa vor zwei Jahrzehnten darstellte, konnte bis heute nicht von anderen politischen Akteuren ausgefüllt werden. Leonidas Iza, der Vorsitzende der CONAIE, ist zwar eine Figur, die die Machthabenden direkt herausfordert und eine Reihe an Neuerungen vorgeschlagen hat, die die Bedürfnisse der breiten Bevölkerung abbilden. Er sieht sich aber mit den in Ecuador verbreiteten rassistischen Vorurteilen konfrontiert, die seine Positionierung als Anführer, der viele Akteure vereinen kann, verhindern. Neben ihm ringen weniger bekannte Figuren wie der Rechtsanwalt Pedro Granja und der Journalist Carlos Rabascall um Sichtbarkeit, vor allem im Hinblick auf die nächsten Wahlen. Gleichzeitig könnten etliche regionale Anführer*innen die Plünderung ihrer Gebiete oder die angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen – wie die Abschaffung der Kraftstoffsubvention oder die drastischen Veränderungen bei Sozialleistungen – nutzen, um sich politisch zu profilieren.

Die Linke ist also derzeit stark fragmentiert und ihre guten Absichten und Pläne ergeben noch keine wirkliche Einheit.

Diesen Schwierigkeiten zum Trotz könnte die Ausarbeitung einer Agenda des kleinsten gemeinsamen Nenners der erste Schritt sein, um etwas zu bewirken. Diese Agenda sollte darauf abzielen, praktikable Vorschläge zu formulieren, die den einseitigen Vorstellungen der Machthabenden in Bezug auf Sicherheitsfragen entgegenwirken, um die ganzheitliche, regionale und politische Dimension dieses Themas ebenso zu unterstreichen wie die wichtige Aufgabe, die Demokratie im eigentlichen Sinne wieder aufzuwerten. Dazu gehört es, Raum für Meinungsverschiedenheiten zu lassen, Konflikte auszutragen und den Willen der Bevölkerung umzusetzen. Ebenso wichtig ist die Ausformulierung von Visionen, die gleichzeitig den Raubbau an der Natur reduzieren, mehr menschenwürdige Arbeitsplätze außerhalb der Extraktionssektoren schaffen und die Rechte der Mehrheitsbevölkerung wahren. Diese Voraussetzungen könnten als Grundlage für eine neuerliche gemeinsame Vision und zur Verteidigung unserer Lebensgrundlagen dienen.

Übersetzung aus dem Spanischen von Christiane Quandt und Camilla Elle für Gegensatz Translation Collective.