Nachricht | Geschichte - Rassismus / Neonazismus Braune Spuren im Saar-Landtag

Aussitzen und ins Leere laufen lassen funktioniert. Der Oldenburger Historiker Hans Peter Klausch stellte seine Forschungen zur NS-Vergangenheit der saarländischen Landtagsabgeordneten vor

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung/Peter-Imandt-Gesellschaft, Heinrich Böll Stiftung Saar und VVN-Bund der Antifaschisten hatten  eingeladen und Viele Viele kamen. Es fehlten Landtagsabgeordnete, auch die der Linken, die Auftraggeber der Studie waren. So ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich alles wieder im Sande verläuft, auch deshalb, weil Oskar Lafontaine als Vorwortschreiber sein persönliches Urteil über alle Wissenschaft stellt.

Der Referent Dr. Klausch hat in Niedersachsen und Hessen viele Verdienste erworben mit seiner Arbeit über die „Zweite Schuld“, das heißt in diesem Fall, dass Nazi-Täter nach 1945 wieder in Entscheidungsfunktionen abgeseilt wurden, die Opfer des größten Menschheitsverbrechens erneut zu Opfern wurden. In FDP, CDU und SPD kamen Nazi-Täter in großen Umfang wieder als Mandatsträger in die Landtage aller drei untersuchten Länder. In HJessen hatten frühere NSDAP-Mitglieder sogar zeitweise eine verfassungsändernde 2/3 Mehrheit.

Im Saarland hatten wir durch das Zwischenspiel der antifaschistischen Regierung unter Johannes Hoffmann (Joho) die Situation, dass Hitlergegner in „beeindruckender Zahl“ im Landtag vertreten waren.

Sowohl jüdische als auch christliche Rückkehrer, Sozialdemokraten und Kommunisten engagierten sich politisch. Genau umgekehrt ging es dann ab 1951 aber besonderes nach der „Rückgliederung“. Wie in Hessen und Niedersachsen waren mehr als 75 Prozent der Abgeordneten der FDP-DPS, mehr als 50 Prozent der Abgeordneten der CDU und fast genau so viele Sozialdemokraten vorher NSDAP-Mitglieder gewesen.

Das Landtagspräsidium war mit deutlicher Mehrheit mit früheren Nazis besetzt, alle Saarländischen Ministerpräsidenten bis Lafontaine hatten eine braune Vergangenheit. Der langjährige Landesvater Franz „Josef“ Röder stand 1965 bis 1970 einer Regierung vor, in der 5 von 7 Minister ihre braune Seilschaft in der NSDAP geknüpft hatten.

Die Studie ist mit ihren vielen Fakten und Klarnamen eine wahnsinnig wichtige historische Quelle. Sie ist eine Fundgrube, wie es die Ausgaben der Handbücher des Saarländischen Landtags nicht sind. Doch wie soll es jetzt weiter gehen? Dass FDP und CDU die Forschungsergebnisse durch Aussitzen vergessen lassen wollen liegt nahe. In Hessen und Niedersachsen hat es eine breite Reaktion der Öffentlichkeit gegeben; aber auch Veranstaltungen zu verschiedenen Aspekten der Geschichtswissenschaft. So ist aus einem Skandal der Parlamente ein Skandal der Geschichtsaufarbeitung unserer gutdotierten Geschichtsprofessoren geworden, die erneut von nichts etwas gewusst hatten. Aber im Saarland…

Das nächste Handbuch des Saarländischen Landtages wird an einigen Stellen umgeschrieben werden müssen. Einige Bürger mehr werden sich erschüttert von den Parteien abwenden, die die Geschäfte weiter laufen lassen, als sei nichts passiert. Aber was macht der Auftraggeber der Studie? Wird die Partei „Die Linke“ wenigstens damit arbeiten? Auch der Referent, Dr. Klausch, wundert sich angesichts seiner erschütternden Befunde über die kaum wahrnehmbare Reaktion der Auftraggeber. So werden die Täter wieder davon kommen.

Wollen Sie mehr über den ausgezeichneten SA-Mann und CDU- und DPS-Abgeordneten Erwin Albrecht erfahren, der in Prag für viel Todesurteile verantwortlich war, oder dem CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsident Hubert Ney, der später den Wahlaufruf der NPD unterstützte? Oder die Karriere des kleinen Volksschullehrers Franz „Josef“ Röder, der es in diesen Seilschaften zu Landesvater und Ministerpräsidenten schaffte. Lange Listen von Landtagsabgeordneten und ihre Vita im Tausendjährigen Reich laden zum Weiterforschen ein.

Ein Kapitel widmet Dr. Klausch auch Hermann Röchling.

Beitrag von Bernhard Fox, VVN-BdA Saarland