Nachricht | Westafrika - Sozialökologischer Umbau - Klimakrise in der Stadt Vom Klimawandel bedroht

Küstenerosion und Umweltverschmutzung bedrohen die Menschen in der senegalesischen Hauptstadt Dakar

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Eine Luftaufnahme der Küste und der Fischerboote von Kayar, etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Dakar entfernt, Senegal, am 20. April 2024.
Kayar ist eine der Städte Senegals, die von der Fischerei leben. Die Fischer sind eines der ersten Opfer der Klimakrise. Kayar, Senegal, 20. April 2024, Foto: picture alliance / Anadolu | Cem Ozdel

Westafrika ist besonders bedroht von den Auswirkungen des Klimawandels. Die senegalesische Küste erodiert in rasantem Tempo. Das gefährdet die Hauptstadt Dakar, die bereits mit Wohnungsnot, Luftverschmutzung und regelmäßigen Überschwemmungen zu kämpfen hat. Während die lokale Regierung Klimapläne vorlegt, versuchen soziale Bewegungen, sich unabhängig zu organisieren, um gegen die klimabedingten Ungerechtigkeiten vorzugehen.
 

Der Klimawandel trifft nicht nur die ländlichen Gebiete Afrikas, sondern ist auch ein städtisches Problem, das  zugleich durch städtische Wirtschaftspolitik und Entwicklungsprogramme beeinflusst wird. Urbane Gebiete verbrauchen 78 Prozent der weltweiten Energie und produzieren mehr als 60 Prozent der Treibhausgasemissionen. Städte sind aber auch massiv von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betroffen. So sieht sich auch die senegalesische Hauptstadt Dakar – Sitz fast aller wirtschaftlichen Aktivitäten des Landes und mit 7.200 Einwohner*innen pro Quadratkilometer die Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte des Landes – zunehmend vom Klimawandel bedroht. Städte müssen daher Maßnahmen ergreifen, die über Anpassung und Schadensbegrenzung hinausgehen, indem sie die Auswirkungen des Klimawandels durch öffentliche Maßnahmen abmildern.

Ibrahima Thiam arbeitet zum Thema Klimawandel und natürliche Ressourcen im Westafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar, Senegal.

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die afrikanische Hauptstadt? Welche Verantwortung trägt die Regierungspolitik für die Anfälligkeit der Stadt? Wie begegnen Staat, Stadt und Zivilgesellschaft dem Klimawandel?

Senegal: Ein Land zwischen Küste und Sahelzone

Senegal ist von den Auswirkungen des Klimawandels besonders bedroht. Geografisch liegt das Land zwischen dem vorrückenden Meer und der sich ausbreitenden Wüste. Zwischen einer 700 km langen Küstenlinie im Westen und der Sahelzone im Osten ist Senegal mit einem durchschnittlichen Küstenrückgang von 0,5 bis 2 m pro Jahr und der Zerstörung von 2.500.000 Hektar Land konfrontiert. Weitere Folgen des Klimawandels zeigen sich im Anstieg des Wasserspiegels der Flüsse Casamance, Sine und Saloum, in der Austrocknung des Ferlo und seiner Flusstäler, im Absinken des Grundwasserspiegels, in der Austrocknung von Flüssen im Inland und in der Versalzung von Binnengewässern und landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Biodiversität und die Ökosysteme des Landes haben sich verändert, Mangrovenwälder und Feuchtgebiete an der Küste sind geschädigt, die Vegetationsflächen haben abgenommen, die Böden sind degradiert und ausgelaugt, das Land wird salzhaltiger. Schließlich sind die Ozeane und Meere einem Temperaturanstieg ausgesetzt, der zu einer fortschreitenden Küstenerosion führt.

Die 18 Millionen Senegales*innen leben hauptsächlich von Fischerei und Landwirtschaft, die beide durch den Klimawandel bedroht sind. Der erste Schritt zur Anpassung an den Klimawandel war daher die Abwanderung in die Städte.

Dakar: Eine Halbinsel im Wettlauf mit der Zeit

Die Region Dakar macht 0,28 Prozent des Nationalgebiets aus und hat eine Bevölkerung von 3.835.019 Einwohner*innen. Die Stadt Dakar zählte im Jahr 2020 1.400.974 Einwohner*innen, was einem Anteil von 8,4 Prozent an der Gesamtbevölkerung entspricht, mit einer Bevölkerungsdichte von 17.961 Bewohner*innen je Quadratkilometer. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die senegalesische Hauptstadt geben Anlass zu großer Sorge. Das liegt nicht nur an der geografischen Lage der Stadt und ihrer natürlichen Anfälligkeit, sondern auch an der Vernachlässigung des Küstenmanagements durch die lokalen und nationalen Behörden, der starken Landflucht nach der Dürre der 1980er Jahre und am Mangel an Wohnungsbauprogrammen.

Die Landflucht der letzten Jahrzehnte hat die negativen Folgen der unkontrollierten Verstädterung Dakars weiter verschärft. Aufgrund des ungeregelten Wachstums und fehlender Maßnahmen zur Bereitstellung von Wohnraum, Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen sind 30 Prozent der Fläche Dakars mit illegalen Behausungen bebaut. Im Jahr 2002 stammte mehr als die Hälfte der Bevölkerung Dakars aus anderen Regionen Senegals. Gleichzeitig erlebt Dakars Küste einen Immobilienboom. Obwohl das Bauen hier illegal ist, entstanden dort luxuriöse Wohnanlagen. Mit Amtsantritt der neuen Regierung nach den Präsidentschaftswahlen im April 2024 hat die Regierung alle Bauvorhaben an der Küste jedoch bis auf weiteres gestoppt.

Die Kombination aus informellen Siedlungen und illegaler Bautätigkeit macht die Stadt anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels und erschwert es, vorbeugende Maßnahmen gegen seine negativen Folgen zu treffen. Seit fast zwei Jahrzehnten wird die Region um Dakar immer wieder von massiven Überschwemmungen heimgesucht. Für viele Bewohner*innen der Hauptstadt und ihrer Vororte ist die Regenzeit ein einziger Alptraum.

Aber die Folgen des Klimawandels sind nicht das einzige Umweltproblem, das den Stadtbewohner*innen von Dakar zu schaffen macht. Dakar ist eine der am stärksten von Luftverschmutzung betroffenen Städte des Kontinents. Luftverschmutzung stellt eines der größten, umweltbedingten Risiken für die menschliche Gesundheit dar und verursacht weltweit mehr als zwei Millionen Todesfälle pro Jahr. Hauptverursacher der Luftverschmutzung sind Verkehr, Industrie, Energieerzeugung, die Verbrennung von Müll auf offenen Deponien und Staub aus der Sahara. Auf der einzigen Müllhalde in Mbeubeuss, 15 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, werden jährlich 500.000 Tonnen Abfall entsorgt. Trotz kommunaler Aufrufe wie «Für ein neues Bewusstsein in Senegal» und «Sauberkeit für Senegals Quartiere, Dörfer und Städte» ist Dakar weit davon entfernt, seine gesundheits- und umweltpolitischen Herausforderungen zu bewältigen, da es sowohl an individuellem Verantwortungsbewusstsein als auch geeigneten politischen Maßnahmen fehlt.

Die Umweltzerstörung hängt auch mit der Intensivierung von Landnutzung, der Veränderung der natürlichen Umwelt und dem Klimawandel zusammen. Die Luft, das Grundwasser und die marinen Gewässer in der Region Dakar sind verschmutzt. Die Überwachung durch das Ministerium für Umwelt und nachhaltige Entwicklung (MEDD) zeigt, dass die durchschnittliche Tageskonzentration von Feinstaub in Dakar immer noch 3,5 Mal höher ist als der jährliche Richtwert der WHO für Luftqualität.

Nach Angaben der WHO ist ein Viertel der vorzeitigen Todesfälle in Afrika auf die schlechte Luftqualität in den Städten zurückzuführen. Der städtische Straßenverkehr trägt massiv zur Luftverschmutzung auf dem afrikanischen Kontinent bei. Der Straßenverkehr in Dakar zeichnet sich durch eine veraltete Fahrzeugflotte im Güter- und Personenverkehr aus. In den Vororten der Stadt (Pikine, Guédiawaye und Rufisque-Bargny) konzentrieren sich mehr als 60 Prozent der Bevölkerung und weniger als 15 Prozent der Industrie. Ein Experte für Verkehrsinfrastruktur erklärt diese Situation mit einer Bevölkerungsexplosion – das Bevölkerungswachstum betrug zwischen 2021 und 2022 3,5 Prozent und wird bis 2025 voraussichtlich 11 Prozent erreichen –, einer schlechten räumlichen Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten, einem starken Anstieg des Individualverkehrs (zwischen 8 und 9 Prozent pro Jahr) und einem Mangel an Verkehrsinfrastrukturkapazitäten. Die Verkehrsüberlastung in den Städten kostet das Land jährlich 40 Milliarden CFA-Francs (rund 60 Millionen Euro), die Umweltkosten belaufen sich auf 63 Milliarden CFA-Francs (96 Millionen Euro).

Mit welchen Maßnahmen kann Dakar widerstandsfähiger werden?

Angesichts der Bedrohung, die von den bestehenden Umweltproblemen und den Auswirkungen des Klimawandels im äußersten Westen des afrikanischen Kontinents ausgeht, haben die nationale Regierung und die Stadt Dakar sowie lokale Vereinigungen und Communitys Initiativen gestartet, um angemessene Antworten auf die Situation zu finden. Der Klimawandel betrifft uns alle und diese Tatsache scheint, wenn auch spät, verstanden worden zu sein.

Regionaler Klima- und Energieplan

Der Klimaplan 2021–2025 für Dakar wurde von der Europäischen Union (EU) in Form von Zuschüssen in Höhe von mehr als 455 Millionen CFA-Franc (rund 700.000 Euro)  finanziert. Mit dem Plan kann die Stadtverwaltung von Dakar Maßnahmen ergreifen, die die Treibhausgasemissionen reduzieren, die Region an den Klimawandel anpassen und weniger anfällig gegenüber dem Klimawandel machen. Ziel ist es, einen Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels zu leisten, indem alternative Wege der Ressourcennutzung aufgezeigt, die Entwicklung erneuerbarer Energien unterstützt und umweltbewusstes Verhalten und Bewusstsein in Produktion und Konsum gefördert werden.

Als Teil seines ganzheitlichen regionalen Klimaplans für Dakar hat der Regionalrat der Stadt ein Programm zur Anpassung und Stärkung der Widerstandsfähigkeit aufgestellt, das eine Reihe von Maßnahmen vorsieht:

  • Schutz des Küstenstreifens durch Wiederherstellung und Verstärkung des Streifens aus Kasuarinen und anderen lokal angepassten Baumarten sowie Sicherung des Zugangs der Fischercommunitys zum Meer.
  • Erhaltung land- und forstwirtschaftlicher Flächen und Schutz von Feuchtgebieten sowie Verbot der Bebauung dieser Flächen.
  • Systematische Behandlung von häuslichem und industriellem Abwasser und Überwachung aller kommunalen und industriellen Abwassereinleitungen.
  • Einrichtung eines Systems zur Trennung, Sammlung, Entsorgung und Behandlung von Haushalts- und Industrieabfällen durch Einbeziehung aller lokalen Behörden, Nachbarschaftskomitees, Organisationen der Zivilgesellschaft und sämtlicher Wirtschaftsakteure. Schutz und Förderung von Wäldern und Grünflächen in öffentlichem und privatem Besitz, um sie vor Hitzewellen zu schützen.
  • Umgestaltung des städtischen Verkehrskonzepts durch den Austausch des veralteten Fuhrparks gegen Elektrofahrzeuge, die Einführung eines Busnetzes den Bau eines Straßenbahnnetzes.
  • Einführung technologischer Alternativen zur optimalen Nutzung erneuerbarer Ressourcen wie Wind-, Sonnen- und Wasserkraft.
  • Landreform, um das Haupthindernis für die Resilienz zu beseitigen. Dazu gehört der Aufbau einer Umweltschutzpolizei mit speziell ausgebildeten Polizeikräften, die von hochrangigen Verwaltungsbeamt*innen beaufsichtigt wird.

Das von der EU geförderte Projekt läuft 2025 zwar aus, aber der Staat setzt auf Kontinuität und will das Programm fortführen. Die neue Regierung beabsichtigt, in den ökologischen Wandel zu investieren, wobei etwa ein Drittel des Energiemixes aus erneuerbaren Energien bestehen soll.

Zivilgesellschaftliches Engagement

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen engagieren sich in Senegal im Kampf gegen den Klimawandel. In Dakar arbeiten Vereine oder NGOs daran, das Bewusstsein für die Herausforderungen des Klimawandels zu schärfen. Eines der ersten Opfer des Klimawandels in Senegal ist die Community der Lebou-Fischer, die an der Küste leben. Sie sind doppelt vom Klimawandel betroffen, da ihre Häuser durch die Küstenerosion zerstört werden und auch ihr Haupteinkommen, der Fischfang, betroffen ist. Umweltorganisationen fungieren als Sprachrohr für diese gefährdeten Gemeinschaften, um ihre Anliegen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu vertreten. Sie organisieren Umweltbildungsprogramme und Klimaaktionstage. Seit langem engagieren sich die Organisationen gegen die Ursachen des Meeresspiegelanstiegs, wie die Bebauung der Küsten und die Abholzung des Kasuarinenstreifens für den Wohnungsbau. So wurde etwa die Plateforme pour l'environnement et la réappropriation du littoral (Plattform für die Umwelt und die Wiederaneignung der Küste) von einem Zusammenschluss verschiedener NGOs und Vereine zum Schutz der senegalesischen Küste gegründet. Ihr Ziel ist es, sämtliche Bauprojekte an der Küste zu stoppen. Andernorts, in der Gemeinde Bargny, kämpft die Bevölkerung seit zehn Jahren gegen den Bau eines Kohlekraftwerks. Das Land der Gemeinde wurde an ausländische Unternehmen veräußert, die dort ein Industriezentrum errichten wollten. Nachdem die Gemeinde mehr als 50 Jahre lang Standort einer Zementfabrik war, ist sie nun durch den Bau eines Stahlwerks und die Eröffnung einer neuen Zementfabrik bedroht.

Mit dem politischen Wechsel im April 2024 hat sich die Debatte über den Verkauf der Küste von Dakar zugespitzt. Der «Bruch» mit allen neokolonialen Praktiken, den die neue Regierung angekündigt hat, und die Forderung nach Autonomie spielen dabei eine zentrale Rolle.

Keine rosigen Aussichten, aber erste Schritte

Die Auswirkungen des Klimawandels treffen Westafrika schneller als den globalen Durchschnitt. Die Zukunftsaussichten für die Region sind also alles andere als rosig. Die senegalesische Regierung ist sich bewusst, dass sie die Probleme der Städte angehen muss, damit Städte wie Dakar die Folgen des Klimawandels bewältigen können. Dies kann beispielsweise durch den Bau von Stadtzentren nach dem Vorbild grüner Städte erreicht werden, wie es bereits in Diamniadio und Lac Rose angestrebt wird. Der Klimawandel ist ein Querschnittsthema, das sich auf alle Lebensbereiche auswirkt – Klimapolitik muss daher alle gesellschaftlichen Aspekte berücksichtigen. Erste Schritte wurden bereits unternommen: Am 27. Dezember 2021 weihte die Stadt Dakar den Regionalzug Train Régional Express ein, der die Stadt von ihrem 40.000 Fahrzeuge umfassenden Fuhrpark entlasten soll. Er hat eine Kapazität von durchschnittlich 115.000 Fahrgästen pro Tag. Der Bus Rapid Transit (BRT) wurde am 15. Januar 2024 eingeführt und befördert täglich 300.000 Fahrgäste auf 18,3 km ausgebauten Busspuren, die 14 Stadtviertel mit 23 Haltestellen verbinden. Das öffentliche Verkehrssystem fördert den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr und trägt damit zur Verringerung von Luftverschmutzung und Treibhausgasemissionen bei.

Wenn wir von Klimagerechtigkeit sprechen, denken wir oft an die großen Umweltverschmutzer*innen im globalen Norden. Doch jeder Mensch sollte durch sein Verhalten und seine Einstellung zur Umwelt Verantwortung für das Klima übernehmen. Der Klimawandel betrifft die ganze Welt, also sollte er auch uns alle etwas angehen. Wenn wir uns bewusst sind, dass die Umweltverschmutzung, die wir verursachen, Auswirkungen auf andere hat, stellt sich die Frage der Gerechtigkeit gegenüber ihnen. Wir müssen das Klima als globales Gut behandeln, dessen Zerstörung unser aller Leben gefährdet. Wir müssen die Menschen für dieses Thema sensibilisieren und zu einem gerechten und verantwortungsvollen Verhalten aufrufen. Dies erfordert Umweltbildung auf allen Ebenen.

 
[Übersetzung von Camilla Elle und Charlotte Thießen für Gegensatz Translation Collective.]