Nachricht | USA / Kanada - Sozialökologischer Umbau - Klimakrise in der Stadt Der Kampf gegen die Klimakrise in Südwest-Brooklyn

Wie die Nachbarschaftsorganisation UPROSE auf zunehmende Hitze und Überschwemmungen reagiert

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Blick von Manhattan aus dem Sunset Park in Südwesten Brooklyns
Blick von Manhattan aus dem Sunset Park in Südwesten Brooklyns Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung NYC

Marginalisierte Communitys sind am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen – das gilt für Städte des Globalen Nordens wie des Globalen Südens. Während sie vom Staat oft vernachlässigt werden, haben Nachbarschaftsorganisationen begonnen, klimabedingte Probleme in Angriff zu nehmen. In Sunset Park in New York kartiert die Nachbarschaftsorganisation UPROSE die Auswirkungen des Klimawandels in der Umgebung, klärt Anwohner*innen über mögliche Risiken auf und entwickelt Pläne für eine alternative Stadtplanung.

Sunset Park ist ein Stadtteil im Südwesten von Brooklyn. Er grenzt an den Bay Ridge Kanal, an dessen Ufer sich ein Industriegebiet mit eigenem Schiffsterminal und mehreren Lagerhäusern befindet. Das ansonsten dicht besiedelte Stadtviertel ist nach dem gleichnamigen Park benannt, von dem aus man einen guten Ausblick auf Downtown Manhattan, Brooklyn und die New Yorker Bucht hat. Die zahlreichen Immigrant*innen und die Communitys, die in Sunset Park leben, haben die Geschichte des Stadtviertels geprägt, insbesondere die lateinamerikanische Gemeinschaft, die bis heute weiter wächst.

Blick von Manhattan aus dem Sunset Park in Südwesten Brooklyns Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung NYC
David Williams leitet das Programm Internationale Klimagerechtigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Regionalbüro Vereinte Nationen und Nordamerika, New York.

In einer Seitenstraße einer der Hauptstraßen von Sunset Park steht ein unscheinbares Gebäude. Das oberste Stockwerk des Hauses beherbergt die United Puerto Rican Organization of Sunset Park – Bay Ridge (UPROSE). Die Nachbarschaftsorganisation wurde 1966 im Zuge der Bürgerrechtsbewegung gegründet, «von lokalen Anwohner*innen, unter ihnen weitgehend Puertoricaner*innen der Arbeiterklasse», erzählt Esmeralda Simmons, eine der Vorsitzenden. Damals kämpften sie für mehr Mitspracherecht bei Entscheidungsprozessen, die die lokalen Communitys direkt betrafen, insbesondere was die Bereiche Wohnen, Verkehr, Entwicklung und Jugend anging.

Der Kampf gegen die Gentrifizierung

In den 70er und 80er Jahren war die Nähe zu Manhattan einer der Gründe dafür, dass Sunset Park Ort zahlreicher Gentrifizierungsprojekte wurde, gegen die sich Anwohner*innen vehement wehrten. Industry City, ein Sanierungsprojekt am Ufer von Sunset Park, führte zu einem erheblichen Anstieg der Mieten und Lebenshaltungskosten in diesem Gebiet. Ein Antrag auf Umwidmung zur weiteren Ausdehnung von Industry City wurde jedoch nach erheblichem Widerstand der örtlichen Communitys und bezirklichen Behörden zurückgezogen. Auch wenn die Folgen der Sanierungsprojekte stellenweise eingedämmt werden konnten, erklärt Brian Gonzales, der in Sunset Park unterrichtet und Mitglied von UPROSE ist, dass «es in den letzten Jahren viel teurer geworden ist, hier zu leben». Auch auch die Bevölkerungszusammensetzung des Viertels habe sich verändert. Die enge Zusammenarbeit mit der lokalen Community ist daher zentraler Bestandteil der Aktivitäten von UPROSE: «Wem können Sie am meisten vertrauen? Ganz bestimmt Ihren Nachbar*innen», sagt Gonzales. Regelmäßig organisiert UPROSE Nachbarschaftstreffen, in denen die Anliegen der lokalen Bevölkerung gesammelt werden, um sie dann an die Stadtverwaltung weiterzugeben.

Blick von UPROSE auf Downtown Brooklyn Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung NYC

In den letzten Jahren sind diese Sorgen zunehmend klimabedingt. Insbesondere die verstärkte Hitzebelastung im Sommer und die ganzjährig auftretenden Überschwemmungen machen der lokalen Bevölkerung zu schaffen. Die Auswirkungen extremer Wetterereignisse machen sich besonders in den Stadtteilen bemerkbar, deren Bewohner*innen ohnehin in Bezug auf Wohlstand, Einkommen und Zugang zu Verkehrsmitteln, Bildung oder Notdiensten benachteiligt sind. Als Gegenmaßnahme hat UPROSE begonnen, in diesen Communitys Aufklärungsprogramme zu organisieren, die Bewohner*innen einzelner Häuserblocks miteinander zu vernetzen und zu mobilisieren, unterschiedliche Karten des Viertels zu erstellen sowie Orientierungshilfen für Notfallmaßnahmen anzubieten.

Die Sorgen der Jugend

Der Fokus von UPROSE liegt nicht zuletzt auf dem Mitwirken junger Menschen bei Themen wie Umwelt- und Klimagerechtigkeit. «Für die jungen Leute sind unbebaute Flächen wichtig. Ihnen macht ein geplantes Kraftwerk Sorge, das so groß werden soll wie drei Fußballfelder, und dass zudem dass Stadtviertel in einem Gebiet liegt, das schon jetzt eine erhöhte Bleibelastung hat», erklärt Elizabeth Yeampierre, die Geschäftsführerin von UPROSE. Dies fällt zusammen mit dem Rückgang an Investitionen, der sich nicht nur in Sunset Park, sondern auch in anderen New Yorker Stadtteilen mit einem hohen Anteil an People of Color (POC) zeigt. Dies verlangte daher eine breit angelegte, intersektionale Herangehensweise von UPROSE an der Schnittstelle von sozialer, ethnischer, wirtschaftlicher, ökologischer und klimatischer Gerechtigkeit.

Banner betont die Bedeutung von Jugendleitern bei UPROSE Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung NYC

Es sei sehr wichtig, Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche zu entwickeln und sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, betont Allahji Barry, ein Jugendaktivist bei UPROSE. Laut Barry haben die bisherigen Erfolge von UPROSE dazu geführt, dass die Community in der Organisation ihre Interessen tatsächlich vertreten sieht. Das hat auch dazu beigetragen, dass sich ein intergenerationelles Team entwickelte, welches das breite Altersspektrum von Sunset Park widerspiegelt. Neben den Aktivitäten in den sozialen Medien, die als internes und öffentlichkeitswirksames Kommunikationsmittel dienen, reichen die Jugendaktionen von Workshops über einheimische Pflanzen bis hin zu Straßenfesten und Kunstprojekten. «Kunst ist für uns von zentraler Bedeutung. Durch Kunst schaffen wir Gemeinschaft», erklärt Yeampierre.

Alternative Zukunftsvisionen

Sunset Park ist vom verarbeitenden Gewerbe und der Industrie geprägt, in der viele seiner Bewohner*innen angestellt sind. Seit der Gründung der Organisation stellt UPROSE laut Yeampierre die zentrale Frage: «Wie können wir den Industriesektor dazu bringen, unseren Bedürfnissen zu dienen, anstatt uns zu zerstören?» Eine Antwort ist die Forderung nach einer umweltfreundlichen Produktion, die die Schäden des Klimawandels begrenzen soll. Wesentlicher Bestandteil ist GRID 2.0., ein alternativer Plan zur Dekarbonisierung der lokalen Wirtschaft durch die Stärkung grüner Wirtschaftsakteure und die Verbesserung des Schutzes gegen extreme Wetterereignisse. Der Plan entwirft ein mehrstufiges, von der lokalen Bevölkerung getragenes, alternatives Zukunftsszenario, mit dem die erste grundlegende Phase eines gerechten Übergangs hin zu einem klimaneutralen Stadtviertel umgesetzt werden soll. Der dafür vorgesehene Zeitrahmen reicht bis zum Jahr 2035. Der Plan kann auch für andere Stadtteile und Städte angepasst und dort umgesetzt werden. Das Dokument beschreibt ein breites Spektrum an Aktivitäten, mit denen sich die lokale Bevölkerung für praktikable Alternativen zur derzeitigen Stadtplanung einsetzen und den Raum in einer dicht besiedelten Stadt neu gestalten kann. Es bleibt abzuwarten, ob die lokalen Wirtschaftsakteure die Empfehlungen umsetzen werden oder nicht.

Neue Herausforderungen

UPROSE musste im Lauf der Jahre mehrere Herausforderungen bewältigen. Zu den ohnehin schon angespannten Beziehungen in der Stadt, die auf eine Geschichte von Rassismus und weißer Vorherrschaft zurückgehen, gesellte sich die Tatsache, dass unterschiedliche Verwaltungen mal mehr und mal minder gewillt waren, mit Gemeinschaftsorganisationen wie UPROSE zusammenzuarbeiten. Viele Entscheidungsträger*innen scheinen das Ausmaß und die Dringlichkeit der intersektionalen Probleme, mit denen Communitys in ganz New York City konfrontiert sind, noch nicht vollständig erfasst zu haben. Regierungsstellen neigten dazu, «konventionelle Methoden auf ein unkonventionelles Problem anzuwenden», wie Yeampierre sagt. Sie würden nicht erkennen, dass tiefgreifende strukturelle Änderungen notwendig sind. UPROSE kritisiert, dass weder die Intersektionalität der Krise anerkannt werde – insbesondere die patriarchalen Systeme institutioneller Entscheidungsfindung, die eine gerechte Entwicklung verhinderten – noch die Akteure zur Rechenschaft gezogen würden, die den Klimawandel vorantreiben und davon profitieren. Eine weitere Quelle für Konflikte waren in der Vergangenheit auch «große grüne Organisationen, die voller Hochmut in unsere Community hereinplatzen, um die Stellen unserer lokalen Führungspersonen zu übernehmen», fügt Elisabeth hinzu.

Die Jemez-Prinzipien für demokratisches Organisieren an der Wand eines der Sitzungsräume von UPROSE Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung NYC

Auf der ganzen Welt sind Städte in besonderem Maße von der Klimakrise betroffen. Ein Großteil der globalen Bevölkerung lebt in dicht besiedelten Städten, wo die Folgen des Klimawandels den größten Schaden anrichten, insbesondere in marginalisierten Communitys. Gleichzeitig konzentrieren sich in Städten sowohl Massenkonsum als auch die Verursachung von Emissionen. Das Engagement der lokalen Bevölkerung ist entscheidend, um die damit verbundenen Risiken zu reduzieren und einen gerechten Übergang zu gewährleisten. Auch wenn die jeweiligen Stadtviertel und ihre spezifischen Problemlagen nie identisch sind, so gibt es doch Grundprinzipien, auf denen lokales Engagement aufbauen kann, die sich in der Vergangenheit bewährt haben und die auf unterschiedliche Kontexte angewandt werden können. In einem der Sitzungsräume von UPROSE sind die Jemez Principles for Democratic Organizing (Jemez Grundsätze für eine demokratische Mobilisierung) an die Wand gepinnt. Die Grundsätze wurden in den 1990er Jahren von mehreren Umweltgruppen entwickelt und 1996 bei einem Treffen in Jemez, New Mexico, festgelegt. Sie sind einer von verschiedenen Leitfäden für die Bildung, die Zusammenarbeit und den Aufbau einer globalen Solidarität, sowohl innerhalb der Städte als auch zwischen ihnen. In einer Zukunft, in der die Emissionen weiter steigen und die Folgen des Klimawandels immer verheerender werden, werden Prinzipien wie diese für einen gerechten Umgang mit der Krise eine entscheidende Rolle spielen.  

[Übersetzung aus dem Englischen von Charlotte Thießen und Camilla Elle für Gegensatz Translation Collective]