Nachricht | Südliches Afrika - Sozialökologischer Umbau - Klimakrise in der Stadt Lebensbedrohliche Hitzwellen

Im Klimawandel wird die südafrikanische Apartheid-Geographie zur Gefahr für die Gesundheit der Schwarzen Bevölkerung

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Autor*innen

Charles Simane, Roland Ngam,

Ein Mann grillt auf der Straße in der Township Soweto, Südafrika, 17.10.2023.
Ein Mann grillt auf der Straße in der Township Soweto, Südafrika, 17.10.2023. Foto: IMAGO / ANP

Die urbane Geographie Südafrikas ist ein Erbe der Apartheid. Die Geschichte des Landes drückt sich nicht zuletzt in dessen Architektur aus. Wenn Städte wie Johannesburg von Hitzewellen heimgesucht werden, machen unterschiedliche Bauweisen und das Vorhandensein oder Fehlen von Bäumen den Unterschied: zwischen den angenehm kühlen Stadtvierteln der Reichen und den Townships, die überwiegend von mittellosen Schwarzen bewohnt werden.

 
Südafrikas urbane Geographie zählt zu den offensichtlichsten und auffälligsten Widersprüchen des Landes. Besucher*innen werden unweigerlich die zahlreichen Gated Communitys auffallen, die sich über weite Flächen der Stadt erstrecken. Die Häuser dieser geschlossenen Wohnanlagen verfügen über ansehnliche blaue Swimmingpools und gepflegte Rasenflächen, während nur Meter weiter Tausende von Menschen auf wenigen Quadratmeter Wohnfläche in rostigen Wellblechhütten zusammengepfercht sind. Die Apartheid-Geographie ist in Südafrika allgegenwärtig. Sie ist eine der sichtbarsten Folgen der sogenannten «Getrennten Entwicklung», die der weißen Minderheitsbevölkerung des Landes immensen Reichtum und der Schwarzen Bevölkerung Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit beschert hat. Ein anschauliches Beispiel für dieses Wohlstandsgefälle zeigt sich an der Autobahn M1, die das Viertel Sandton auf der einen Seite vom Township Alexandra auf der gegenüberliegenden Seite trennt. Sandton gilt als die «reichste Quadratmeile Afrikas». Das Viertel ist Sitz der Börse und beherbergt Luxusvillen und großzügige Bürogebäude, auf denen üppiges Grün gedeiht. Auf der anderen Seite der Autobahn befinden sich die Hütten von Alexandra, winzige Blechbaracken, um die herum nur vereinzelt Bäume wachsen. Obwohl es nicht an Literatur fehlt, in der die wirtschaftliche Benachteiligung Schwarzer Südafrikaner*innen durch das Apartheid-System thematisiert wird, kommen darin die vielen schleichenden Folgen der brutalistischen Urbanisierung für die Schwarze Bevölkerung zu wenig zur Sprache. Doch das ändert sich allmählich. Mit der steigenden Anzahl an Extremwetterereignissen und Klimaschocks, wird immer deutlicher, dass die Apartheid-Geographie eindeutig die zukünftige Gesundheit und das Wohlergehen insbesondere von Schwarzen Südafrikaner*innen gefährdet. 

Charles Simane ist Programmmanager des Co-operative and Policy Alternative Centre.

Roland Ngam ist Projektleiter für Klimagerechtigkeit und sozial-ökologische Transformation im Rosa-Luxemburg-Büro Südafrika/Johannesburg.

Das Erbe der Apartheid

Die südafrikanische Wirtschaft stützt sich auf fossile Brennstoffe, billige Arbeitskräfte und billige Kohle. Auf dem afrikanischen Kontinent hat das Land die höchsten Treibhausgasemissionen und stößt jährlich etwa 436 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Seit vor mehr als zwei Jahrhunderten Kohle entdeckt wurde, kann Südafrika davon nicht genug bekommen. 85 Prozent seiner Energie bezieht Südafrika aus Kohlekraftwerken, womit es weltweit an achter Stelle liegt, was die Gesamtmenge der speziell für die Stromerzeugung verwendeten Kohle betrifft.

Dabei ist Südafrika ein trockenes Land, in dem die Niederschläge unter dem globalen Durchschnitt liegen und die Temperaturen etwa doppelt so schnell steigen wie der globale Temperatur. Das Land produziert derzeit jährlich etwa 1,47 Milliarden Kilowattstunden Strom. Südafrika begann bereits in den 1940er Jahren mit der Erforschung der Kernenergie, insbesondere, nachdem die Vereinigten Staaten 1945 die Atombombe erfolgreich getestet hatten. Unter der Apartheid-Regierung von Daniel François Malan wurde 1948 ein Ausschuss für Atomenergie (Atomic Energy Board, AEB) gegründet, der die Nuklearforschung und -entwicklung leiten sollte. Die Erzeugung von Energie für die südafrikanische Zivilbevölkerung stand bei diesem Projekt jedoch nicht im Vordergrund. Vielmehr hatte sich die Regierung zum Ziel gesetzt, die sogenannte «Apartheid-Bombe» herzustellen, also letztlich vom Apartheid-Regime entwickelte Nuklearwaffen. Das erste zivile Kernkraftwerk wurde erst 1976, als sich die Arbeit an der Apartheid-Bombe bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befand, in Koeberg gebaut. 2021 produzierte Koeberg 12,4 Terawattstunden und deckte damit nur fünf Prozent des südafrikanischen Energiebedarfs. Die gegen das Apartheid-Regime verhängten Sanktionen verhinderten sowohl die Ausweitung der Koeberg-Anlage als auch des Nuklearprogramms. Das Apartheid-Regime wusste, dass es schon bald die Macht in Südafrika verlieren würde und wollte das Atomprogramm nicht weiter ausbauen, wenn eine Schwarze Regierung in Zukunft nicht mehr zu verhindern sein würde. Wie bei der nuklearen Abrüstung des Landes standen also auch bei der Entscheidung, die Stromversorgung durch Kernenergie nicht weiter voranzutreiben, rassistische Motive im Vordergrund. Dass das südafrikanische Atomprogramm nicht weitergeführt werden konnte, hatte dennoch positive Folgen: So konnte ein von Kernenergie abhängiges Energiesystem vermieden werden, das mit hohen Sicherheitsrisiken und erheblichen Betriebs- und Wartungskosten einhergehen und tonnenweise radioaktiven Abfall produziert hätte. Ganz abgesehen davon, dass das dafür notwendige Uran nur begrenzt vorhanden und schwer zugänglich ist. Allerdings hatte dies auch zur Folge, dass Kohle in Südafrika weiterhin die Hauptrolle bei den Energieträgern spielt.

Kurz nachdem Kohlevorkommen entdeckt wurden, folgten Diamanten und Gold. Berauscht vom Ausblick auf plötzlichen Reichtum, scheute die englische Kolonialmacht keine Mühen, um sicherzustellen, dass der Löwenanteil dieser Ressourcen Großbritannien zufiel. Es  wurde eine exportorientierte Infrastruktur mit Zugverbindungen zu den Häfen eingerichtet, aus denen die wertvollen Rohstoffe nach Europa verschifft werden sollten. Welche Bedeutung die Zuglinien für das Kolonialprojekt in der ehemaligen Provinz von Natal hatten, ist gut dokumentiert. Gleiches gilt für die Kapkolonie, wo die staatliche Bahngesellschaft Cape Government Railways (CGR) bis 1910 ein 3.300 Meilen langes Schienennetz baute. Nach einer Reihe blutiger Kriege, in denen die Afrikaaner*innen (Nachfahr*innen hugenottischer Siedler*innen aus Frankreich und den Niederlanden) und die Schwarze Bevölkerung zum Teil mit Hilfe von Konzentrationslagern unterdrückt wurden, begann die englische Bergbauaristokratie mit dem Aufbau eines «Mineralien-Energie-Komplexes», dessen Ausläufer sich durch das gesamte südliche Afrika erstreckten. Es entstanden weltweit beneidete Metropolen, in deren luxuriösen Villenvierteln die Weißen ein angenehmes Leben führten.

Zwei Folgen des Mineralien-Energie-Komplexes prägen das Leben der südafrikanischen Bevölkerung bis heute. Zum einen wurde die größte jährliche Arbeitsmigration ausgelöst, die der afrikanische Kontinent je erlebt hatte. Es wurden Eisenbahnnetze angelegt, um arbeitsfähige junge Männer zur Arbeit in den Minen von Gauteng und Mpumalanga, oder in Orten wie Gold Reef City und Middleburg, zu bringen. Junge Männer wurden auch aus Angola, Malawi, Sambia, Simbabwe, Lesotho, Eswatini, Namibia und vom gesamten afrikanischen Kontinent rekrutiert. Sie kamen, schufteten für sechs oder sieben Monate am Stück und verrichteten dabei Schwerstarbeit. Nur wenige Gemeinden blieben von der subkontinentalen Migrationsbewegung unberührt. Rund um die Minen entstanden schnell Städte, die mit sämtlichen Annehmlichkeiten ausgestattet waren, die ihre überwiegend weiße Bevölkerung benötigte. Die südafrikanische Kohle war eine billige Energiequelle, eine der billigsten der Welt, und die in Johannesburg errichteten Stadtviertel gehörten zu den wohlhabendsten der Welt. Das englische Bürgertum bevorzugte das Stadtzentrum. Wer reich war, zog nach Houghton, Rosebank, Killarney, Parktown und in andere Stadtteile mit auffallend englischen Namen.

Die zweite durch den Mineralien-Energie-Komplex hervorgebrachte Entwicklung waren die sogenannten «Schlafstädte» und informellen Siedlungen, in denen die Arbeiter*innen untergebracht wurden, die man für die Minen und die entstehenden Städte brauchte. Diese Viertel bestanden überwiegend aus Männerwohnheimen und winzigen, aus gebrannten Lehmziegeln gebauten Einfamilienhäusern. Die Frauen der Arbeiter blieben in den Dörfern zurück. Grünflächen gab es keine, denn es sollten so viele Wohneinheiten wie möglich auf engem Raum errichtet werden. Dabei achtete das Apartheid-Regime darauf, die Menschen nach ihrer ethnischen Herkunft zu gruppieren. So sind die unterschiedlichen Viertel des South West Township (Soweto) und Soshanguve (SOtho, SHAngaan, NGUni und VEnda) noch heute stark von diesem Konzept geprägt: Zulus, Sothos, Xhosas und andere Communitys leben weitgehend in getrennten Vierteln.

Der Mineralien-Energie-Komplex stand letztlich für eine Wirtschaft, die nicht in der Lage war, Arbeitsplätze zu absorbieren, was zu einer systematischen Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse führte. Der Komplex trug auch zur Bildung einer düsteren, arbeiterfeindlichen Allianz zwischen dem Staat, der Bergbauindustrie und den Kapitalist*innen, die sie betreiben, bei. Dieser verflochtene Komplex zeigt sich in der südafrikanischen Wirtschaft auf vielfache Art und Weise, nicht zuletzt in der Konzentration des Eigentums in den Händen weniger Personen und Unternehmen.

Brutalismus im Post-Apartheid-Südafrika: Grüne Pracht in den Villenvierteln

Die Ergebnisse des brutalistischen Städtebaus der Zeit der Apartheid sind noch heute überall in Johannesburg sichtbar. Die großen streng und düster wirkenden Gebäude prägen noch immer das Stadtbild. Sie sollten möglichen Angriffen widerstehen und unwillkommene Besucher*innen abschrecken. Glücklicherweise konzentrieren sich diese großen, dunklen Gebäude weitgehend auf die Universitäts- und Geschäftsviertel.

Ganz anders sehen die Viertel aus, in denen nach wie vor der Großteil der weißen Bevölkerung lebt. Hier wachsen üppig grüne Bäume mit der schönsten Laubpracht, die man sich vorstellen kann. Johannesburg ist sehr stolz auf seinen Baumbestand. Mit über zehn Millionen Bäumen, die über die ganze Stadt verteilt sind, verfügt Johannesburg über den wohl größten, von Menschenhand gepflanzten Stadtwald der Welt. Eine beachtliche Leistung, denn Südafrika ist im Allgemeinen ein trockenes Land. Weite Teile des Gebietes bestehen aus Grasland (Veld) und weiter im Norden, in Richtung Namibia, aus Wüsten. Johannesburgs grüner Baumreichtum ist das Ergebnis umfangreicher Planungsarbeit. Der Blick von einem der Aussichtspunkte in Parktown North ist atemberaubend. Oft sind die Häuser unter den dicht nebeneinander stehenden Bäumen kaum auszumachen.

Dabei ist die Geschichte der Johannesburger Bäume nicht von der des Mineralien-Energie-Komplexes zu trennen. Als 1866 im Witwatersrand, einem Gebirgskamm in der Provinz Gauteng, Gold entdeckt wurde, benötigten die Bergbauunternehmen viel Holz für den Betrieb der Minen. Es mussten Stützkonstruktionen und Schächte gebaut und neue Schienen verlegt werden. Und auch für andere Bergbauaktivitäten war Holz von großer Bedeutung. Bis 1934 wurden 67 Parks angelegt, in denen überwiegend Bäume wuchsen: Die Stadtverwaltung pflanzte jährlich 6.000 Bäume. Diese wurden von aus der ganzen Welt importiert. Damals gab es kein ökologisches Bewusstsein für die Auswirkungen der fremden Arten auf den lokalen Wasserbestand oder das gesamte Ökosystem. Im Vordergrund standen allein ihr Nutzen für die Kapitalakkumulation und ihr ästhetischer Wert für die Schaffung einer Art von europäischer Heimat in Afrika. Bis heute dezimieren die Bäume Grundwasser von Johannesburg und tragen zur Wasserknappheit in der Stadt bei. Bäume pflanzende Unternehmer*innen wie zum Beispiel William Nelson, der im Laufe seines Lebens über 30 Millionen Bäume pflanzte, wurden bereits 1896 auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die diese invasiven Baumarten für die Umwelt bedeuteten. Die Warnungen stießen allerdings weitgehend auf taube Ohren. Niemand schenkte ihnen Beachtung. Die Reichen hingen zu sehr an ihrer Postkartenidylle, um etwas zu ändern.

Zum Glück tendieren Bäume wie auch andere Pflanzen dazu, sich anzupassen. Die Tatsache, dass sie in einer bestimmten Region exotisch sind, bedeutet nicht unbedingt, dass sie keinen ökologischen Nutzen mit sich bringen. Unter dem Blätterdach in alten Stadtvierteln wie Dunkeld und Rosebank sind die Straßen angenehm kühl. Der Schatten der Baumkronen lässt kaum Sonnenlicht auf den Boden gelangen und so bleiben die Temperaturen in der Regel relativ niedrig. Hinzu kommt, dass die Rasenflächen konstant bewässert werden. Die langsame Verdunstung von Wasser aus Böden und Vegetation, hat zur Folge, dass das Mikroklima garantiert kühl bleibt, was in Stadtteilen mit geringem Baumbestand nie erreicht werden kann. Die Bewohner*innen baumreicher Stadtviertel können gemütliche Spaziergänge unternehmen oder joggen gehen, sie können zu jeder Tageszeit ihren Hund ausführen oder einen ruhigen Moment in einem der vielen Parks der älteren Stadtteile verbringen.

In diesen Vierteln wurde sehr darauf geachtet, den Zugang zu Orten beschränken, an denen ortsfremde «Eindringlinge» sich gerne etwas länger aufhalten würden. Überall gibt es Mauern mit Stacheldraht. Niedrige Mauern, um die herum Blumenbeete angelegt wurden, sind mit Spikes versehen. Anti-Kletter-Mauern, Anti-Sitzbereiche und das Fehlen von Fußwegen sollen auf subtile Weise signalisieren, dass hier nicht willkommen ist, wer nicht im Viertel wohnt. Wer sich von diesen rauen Maßnahmen nicht abschrecken lässt, kann die ästhetischen Vorzüge und die Weitläufigkeit dieser Viertel durchaus genießen. Die Symbole und Metaphern der «getrennten Entwicklung» sind unter einer Fülle an Blumen versteckt.

Studien zeigen, dass Viertel mit einem höheren Baumbestand folgende Vorteile haben:

  1. Temperaturen können bis zu 8 Grad niedriger sein als in anderen, nur mit Beton oder Asphalt bedeckten Teilen der Stadt.
  2. Kühle Räume tragen zur Entspannung und zum Abbau von Stress bei.
  3. Die Kreativität der Menschen ist oft größer, wenn sie von Bäumen, Vögeln und Insekten umgeben sind.
  4. Die ruhige Umgebung grüner Stadtviertel ist gesundheitsfördernd, da sich Bewohner*innen mehr bewegen können.
  5. Grüne Stadtteile laden zur Gartenarbeit ein und tragen dazu bei, dass sich Bewohner*innen mit der Natur verbunden fühlen.

Townships: Brüllende Hitze in Wellblechhütten

Begibt man sich in die ehemaligen Townships, dann fällt als Erstes auf, wie rot alles ist. Soweit das Auge reicht, ist alles von rotem und gelbem Staub bedeckt. Da es keine Bäume gibt, trifft die Sonne direkt auf den Boden und die vielen Hitzestunden lassen das Wasser verdunsten, der Boden lockert auf und lebende Bodenorganismen sterben ab. Der Staub dringt in die Häuser und in die Luft, so dass die Bewohner*innen ihn ständig einatmen müssen. Wenn bestimmte Bereiche nicht von Staub bedeckt sind, liegt es daran, dass hier der Boden gepflastert ist: Die Sonnenstrahlen, die hier auf den Boden treffen und vom Pflaster reflektiert werden, tauchen alles in ein grelles Licht. In den Townships wird es sehr schnell sehr heiß. 

Im Gegensatz zu den Grünflächen der nördlichen Stadtviertel und deren Schwamm- und Saugeffekt, der Hitze und Staub kontinuierlich entfernt, haben die gepflasterten und staubtrockenen Flächen nachweislich negative Auswirkungen:

  1. Hitze und das damit verbundene Unbehagen erschweren es der ansässigen Bevölkerung, sich über längere Zeiträume zu konzentrieren und zu lernen.
  2. Die Hitze ist mit höheren Ausgaben zum Beispiel für den Kauf und Betrieb von Klimaanlagen verbunden, um die Gesundheit und Lebensqualität der Bewohner*innen zu gewährleisten. Die Klimaanlagen wiederum werden mit Kohlestrom angetrieben.
  3. Wegen der fehlenden Bäume gibt es auch weniger Insekten und Tiere, was den Anbau von Gemüse zur Selbstversorgung erschwert.
  4. Wird jungen Menschen aufgrund der hohen Hitzebelastung die Gelegenheit genommen, zu spielen und Kontakte zu knüpfen, führt dies zu schlechterer Schulleistung und es erschwert die Sozialisierung.

Die Dächer der Townships bestehen zum größten Teil aus Wellblech. Das Durchschnittseinkommen liegt unter 300 US-Dollar im Monat. Selbst unter denen, die Familien haben, ist das so genannte backyarding zu einer beliebten zusätzlichen Einnahmequelle geworden: In ohnehin schon überfüllte Wohneinheiten werden weitere Hinterzimmer eingebaut, damit Vermieter*innen pro Zimmer 100 US-Dollar mehr im Monat verdienen können. Angesichts des Wohnungsmangels werden in allen Townships immer mehr Wellblechhütten errichtet. Heute gibt es Hütten, so weit das Auge reicht. Auf so engem Raum kommen Menschen beim Kochen, Bügeln oder beim Verrichten anderer Arbeiten konstant ins Schwitzen.

Der heiße, überfüllte Raum bringt viele Probleme mit sich. Zum einen sind sie für die Bewohner*innen ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko. Oft werden Grenztemperaturen erreicht, bei denen Hitze und Luftfeuchtigkeit so hoch sind, dass der menschliche Schweiß nicht mehr verdunsten kann. Diese lebensbedrohlichen Bedingungen können Hitzeschläge verursachen. Betroffene Personen sind nicht krankenversichert und haben wenig Hoffnung auf eine angemessene medizinische Behandlung in den dysfunktionalen staatlichen Krankenhäusern. Die traurige Wahrheit ist, dass Südafrikas Gesundheitssystem in keiner Weise darauf vorbereitet ist, mit klimabedingten Hitzeschocks, lang anhaltenden Hitzewellen und Dürren umzugehen.

Townships wie Soweto, die in unmittelbarer Nähe von Minen errichtet wurden, befinden sich bis heute in der Umgebung von hochaufragenden gelben Abraumhalden. In Südafrika existieren über 6.000 verlassene Minen, die ohne jegliche Sanierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen zurückgelassen wurden. Andere Townships, wie zum Beispiel Orlando, liegen in der Nähe radioaktiver Dünen. Schätzungen zufolge befinden sich unter diesen Dünen in ganz Johannesburg  600.000 Tonnen radioaktives Uran. Ständig weht der Wind Staub in die Wohnstätten und verursacht bei den Anwohner*innen Asthma und andere Atemwegserkrankungen. Das Fehlen von Bäumen oder anderer Vegetation hat zur Folge, dass die Temperaturen vier bis fünf Grad höher liegen als in den wohlhabenden Vierteln. Die Bewohner*innen sind zwischen der Hitze, die von der sengenden Sonne ausgeht, und deren Reflektion auf dem Asphalt, gefangen. Die Lebensqualität der älteren Bevölkerung ist stark beeinträchtigt und auch kleine Kinder können kaum draußen spielen. Sie sind gezwungen, sich im Schatten oder vor dem Fernseher aufzuhalten.

Die brennende Hitze, die das Land von September bis März heimsucht, führt auch dazu, dass die Menschen konstant dehydriert und häufig desorientiert sind. So entsteht ein ständiges Gefühl der Müdigkeit und Gereiztheit. Um die Situation erträglicher zu machen, sieht sich die mittellose Bevölkerung gezwungen, Geld auszugeben, das sie nicht hat. Die Menschen geben verhältnismäßig mehr für Kühlgeräte und Getränke und Wasserversorgung aus als der wohlhabende Teil der Bevölkerung. 

Der Klimawandel kündigt sich schon jetzt an

Viel zu lange haben Regierungsstellen die sich abzeichnenden Klimaherausforderungen gelassen hingenommen. Doch als die südafrikanische Regierung plötzlich mit Dürren, einem maroden Wasserversorgungssystem und Überschwemmungen konfrontiert war, musste sie das Problem endlich ernst nehmen. Kürzlich gab Finanzminister Enoch Godongwana in einem Interview mit der South African Broadcasting Corporation zu:

«Ich dachte immer, der Klimawandel liege in ferner Zukunft. Jetzt weiß ich, dass es ihn gibt und dass er auch bei uns angekommen ist.»

Im Jahr 2018 ging Kapstadt fast das Wasser aus. Die Verwaltung rief einen sogenannten «Tag Null» aus, an dem der Stadt voraussichtlich das Wasser ausgehen würde und leitete Rationierungsmaßnahmen ein, um diesen Tag soweit wie möglich hinauszuschieben. Die ganze Welt beobachtete die Ereignisse mit angehaltenem Atem. Vielen war natürlich klar, dass Kapstadt vielleicht die erste, aber in Zukunft sicherlich nicht die einzige Großstadt sein würde, deren Wasserversorgung zusammenbricht. Schließlich kehrte der Regen jedoch zurück und alle konnten erleichtert aufatmen. Die Wasserknappheit hat sich seitdem allerdings nach Osten verlagert, nach East London und in andere Teile der Ostkapprovinz. Heute sehen mehrere Städte einem «Tag Null»-Szenario entgegen, ihnen wird aber leider nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie damals Kapstadt geschenkt. Leider haben es die Medien versäumt, ein Klimabewusstsein zu entwickeln, das den Zusammenhang zwischen Dürren, Hitzewellen und dem sich verschärfenden Klimawandel herstellt. Mit anderen Worten: Die Medien haben keinen Diskurs der Klimakrise als Problem einer postnormalen Zeit entwickelt, sie stellen Dürren, Hitzewellen oder Überschwemmungen weiterhin als vereinzelte Ereignisse dar, statt als Ausdrücke eines generellen Klimaschocks.

Vier Jahre nach Kapstadts «Tag Null» erlebte Durban die zweittödlichste Serie von Sturzfluten in seiner Geschichte. Die starken Niederschläge, die sich zwei Wochen lang ununterbrochen auf die Stadt ergossen, ließen den Bewohner*innen keine Atempause. Sie rissen Wohnblocks und Hütten mit sich. Container und nagelneue Autos wurden ins Meer gespült. Als der Regen endlich aufhörte, waren bereits 450 Menschen gestorben und Infrastrukturschäden in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar entstanden. Einige der vom Regen weggespülten Brücken und Straßen wurden bis heute nicht wieder aufgebaut.

In jüngster Zeit haben extreme Hitzewellen im Jahr 2023 dazu geführt, dass viele Farmen ihren Betrieb einstellen mussten. Die Wasserknappheit, die in der Karoo Gegend zu schwerwiegenden Problemen führte, trieb prekäre Landwirt*innen in die Verschuldung. Einige von ihnen konnten den daraus entstehenden Druck nicht verkraften. Unter Farmer*innen nahm die Suizidrate dramatisch zu. Mit der Schließung mehrerer Farmen waren zahlreiche Arbeiter*innen gezwungen, auf der Suche nach Arbeit in städtische Gebiete zu ziehen. Schließlich fielen in der südafrikanischen Subregion mehr als eine Millionen Tiere den Hitzewellen zum Opfer, nicht wenige starben in Südafrika an den Folgen der extremen Hitzewellen. Im Phongolo Naturreservat in KwaZulu-Natal tötete eine extreme Hitzewelle mit Temperaturen um 45 Grad Celsius im Jahr 2021 über 120 Vögel. Extremwetterereignisse sind plötzlich zu zahlreich, um sie zu ignorieren. Sie fordern von uns, dass wir unsere Art zu Leben und unseren Umgang mit der Natur ändern.

Die gebaute Umwelt neu gestalten

Einige Regierungsstellen bemühen sich, spezifische Aspekte der Lebensbedingungen der Schwarzen Bevölkerung zu verändern. Das Gauteng City Region Observatory (GCRO) erstellte zahlreiche einschlägige Studien, die die Veränderungen der Lebensqualität der Bewohner*innen in städtischen Ballungszentren erfassen. Dazu gehören der CO2-Fußabdruck von Johannesburg und Unterschiede desselben zwischen den Stadtvierteln sowie Parameter für die Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Stadt.

Die Karten, die das GCRO entwickelt hat, sind ein wahrhafter Augenöffner. So gibt es zum Beispiel eine Vergleichsstudie zwischen Sandton und Alexandra, den Stadtbezirken, die, wie bereits erwähnt, an der Autobahn M1 in großer Nähe zueinander liegen. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage zur Lebensqualität der Bewohner*innen antworteten mindestens 40 Prozent der Teilnehmenden, dass Hitze für sie ein großes Problem darstelle. Befragte, die sich über unerträgliche Hitze beklagten, lebten in der Regel in Vierteln mit sehr wenig Vegetation. Politische Entscheidungsträger*innen müssen anfangen, Begrünungsprojekten die gleiche Priorität beizumessen, wie möglichen Bauprojekten.

Mehrere Berichte des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) prognostizieren eine Zunahme der jährlichen Hitzetage. Angaben der südafrikanischen Regierung zufolge starben 2023 mindestens acht Menschen während einer großen Hitzewelle, die meisten von ihnen Landarbeiter*innen. Aufgrund der Geschichte betrachtet die Schwarze Bevölkerung des Landes die Hitze häufig als eine vorübergehende Unannehmlichkeit, die es zu ertragen gilt. Arbeitgeber*innen in der Landwirtschaft und im Baugewerbe zögern nicht selten, ihren Angestellten an heißen Tagen Pausen zu gewähren.

Um einige dieser Herausforderungen zu bewältigen, hat die südafrikanische Regierung nationale Leitlinien für den Umgang mit Hitze entwickelt. Das Dokument zeigt direkte (u. a. Krankheit, Tod und Krankenhausaufenthalte) sowie indirekte Auswirkungen (höhere Zahl von Krankenwageneinsätzen, Gefahr des Ertrinkens, Ausbreitung von vektorübertragenen Krankheiten) von Hitze auf den Menschen und formuliert Empfehlungen für Einzelpersonen und Arbeitgeber*innen. Auch wenn es sich dabei nur um einen Leitfaden handelt, sind darin wichtige Maßnahmen aufgeführt, die in Südafrika ergriffen werden müssen. Die erste ist die Live-Übertragung von Hitzewarnungen des südafrikanischen Wetterdienstes (South African Weather Services, SAWS) im Fernsehen. Dieses Warnsystem wurde bereits eingeführt. Bei einem erhöhten Hitzeschlagrisiko zeigen die Fernsehsender die aktuelle Alarmstufe der SAWS an, dessen Warnsystem die möglichen Auswirkungen extremer Wetterereignisse auf die menschliche Gesundheit berücksichtigt. Darüber hinaus enthalten die Hitzeschutzrichtlinien auch Empfehlungen für bauliche Veränderungen und Anpassungen im Verhalten öffentlicher Institutionen.

Fazit

Viele Menschen scheinen immer noch zu glauben, dass der Klimawandel noch bevorsteht oder erst in ferner Zukunft ein ernsthaftes Problem darstellt und wir dann schon lange tot sein werden. Dabei stellt der Klimawandel schon heute zu viele Menschen vor ernste Herausforderungen. Insbesondere in dicht besiedelten Gemeinden mit spärlicher Vegetation und überwiegend billigen Baumaterialien wie Wellblech führen Hitzewellen dazu, dass Bewohner*innen das Gefühl haben, in einem Ofen gefangen zu sein. 

Das zivilgesellschaftliche Bündnis, das die Climate Justice Charter entwickelt hat, setzt sich für eine umfassende Aufarbeitung der Klimakrise unter verschiedenen Aspekten ein. Es fordert, dass sowohl das Erbe der Vergangenheit als auch die Komplexität der gegenwärtigen Krise gleichermaßen berücksichtigt werden und eine lebenswerte Welt für menschliche und nicht menschliche Lebensformen geschaffen wird. Dazu müssen sowohl Einzelpersonen als auch Institutionen die Art und Weise ändern, wie sie bauen und wie sie mit Hitze umgehen. Der erste offensichtliche Schritt, mit dem Südafrika seinen hitzebedingten Problemen entgegensteuern kann, ist, die Apartheid-Geographie in Angriff zu nehmen. Die Begrünung von Stadtvierteln ist kosteneffizient und kann den Bewohner*innen zu einem längeren und gesünderen Leben verhelfen. Bevor große Investitionen in die Entwicklung von politischen Rahmenbedingungen und Gesundheitsrichtlinien getätigt werden, sollte ein Appell alle Menschen dazu bringen, Bäume zu pflanzen, ihre Gärten natürlicher zu gestalten, Flussmündungen zu renaturieren das Wissen über Biodiversität zu fördern und – vor allem – dem Krieg gegen die Natur ein Ende zu setzen.
 

[Übersetzung aus dem Englischen von Charlotte Thießen und Camilla Elle für Gegensatz Translation Collective.]